Plan: Fusionsreaktor für Bayern

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH UND GEORG ANASTASIADIS

München – Ein Tag noch. Am Samstag soll in Deutschland endgültig Schluss sein mit der Energieerzeugung aus Kernkraft. Die drei verbliebenen Meiler – Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen – werden abgeschaltet. Das Land breche auf „in ein neues Zeitalter der Energieerzeugung“, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Doch ob Deutschland wirklich endgültig von der Atomkraft abweicht, hängt womöglich maßgeblich von der Bundestagswahl 2025 ab. „Das letzte Wort über die Kernenergie ist noch nicht gesprochen“, stellt CSU-Chef Markus Söder bereits einen erneuten Kurswechsel in Aussicht. Schon eine neuerliche Energiekrise im Winter könne das Thema zurückbringen. Und sollte die Union die kommende Wahl gewinnen, kündigt Söder an, die dann noch nicht zurückgebauten Meiler wieder ans Netz zu nehmen. Dass diese bis dahin bereits zu weit demontiert sein könnten, glaubt er nicht: „Ein Rückbau ist nicht innerhalb von zwei Jahren möglich“, sagt er unserer Zeitung. Nach Aussagen des TÜVs könnten die Atomkraftwerke noch viele weitere Jahre problemlos weiterlaufen. Selbst die bereits vom Netz genommenen Kraftwerke in Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen (Bayern) können noch eine Zukunft haben, glaubt Söder – und gibt zu bedenken: „Weltweit werden gerade 96 Atomkraftwerke neu gebaut.“ Zudem überlegt der Ministerpräsident den Bau eines Reaktors zur Erforschung der Kernfusion in Bayern.

„Wir setzen mit dem Atom-ausstieg um, was Union und FDP 2011 beschlossen haben“, erinnert hingegen Habeck. Und es stimmt: Unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Fukushima hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren vorherigen Beschluss für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke zurückgenommen und den Atomausstieg bis Ende 2022 eingeleitet. Söder unterstützte das damals sehr. Und noch im November 2021 sprach auch er sich gegen einen Wiedereinstieg in die Kernenergie aus. „Der Beschluss zum Atomausstieg basiert auf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz“, sagte Söder damals. Weniger als ein Jahr später klang das aber schon wieder anders. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und seinen energiepolitischen Folgen trommelte Söder bereits im Sommer 2022 für eine Laufzeitverlängerung. „Die Welt hat sich verändert“, sagt Söder am Donnerstag. „Jetzt die drei letzten Meiler abzuschalten ist ein schwerer Fehler für Deutschland und eine zusätzliche Hypothek für Bayern.“ Denn die heimische Wirtschaft fürchtet in der Folge höhere Strompreise im Süden.

Es gebe aber noch weitere Gründe, die für ein Festhalten an der Atomkraft bis Ende des Jahrzehnts sprechen: „Wir haben beim Klimawandel eine völlig andere Lage als noch vor zehn Jahren“, sagt Söder. Kernkraft statt Kohleverbrennung müsse deshalb das Credo sein. „Das CO2, das wir einsparen, wenn wir Atom- statt Kohlestrom erzeugen, entspricht dem CO2-Ausstoß eines Drittels des deutschen Pkw-Verkehrs.“ Auch deshalb sei er „bereit, whatever it takes zu tun, um die Energieversorgung nachhaltig, ökologisch und bezahlbar für die kleinen Leute zu machen“.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch mahnt derweil ein Ende der Diskussionen an. Immer wieder die Debatte hochzuziehen, hemme den Ausbau erneuerbarer Energien, sagte er zu ntv.

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