Tianjin – Außenministerin Annalena Baerbock hat am Rande ihres China-Besuches versucht, nach den Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Konflikt um Taiwan den Eindruck europäischer Unstimmigkeit zu zerstreuen. Macron habe am Vortag „noch einmal unterstrichen, dass die französische Chinapolitik eins zu eins die europäische Chinapolitik widerspiegelt“, sagte die Grünen-Politikerin in der Hafenstadt Tianjin. Bei allen Differenzen sei es eine Stärke, „dass wir bei den zentralen Fragen von unseren Interessen und Werten nicht nur nah beieinander sind, sondern gemeinsame strategische Ansätze verfolgen“.
Macron hatte nach seinem China-Besuch Europa zu einem eigenständigeren Kurs in der Taiwan-Frage aufgerufen und betont, Europa solle gleichermaßen Distanz zu China und den USA halten.
Baerbock unterstrich, es sei „ein sehr wichtiges Zeichen“ gewesen, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der französische Präsident gemeinsam in China gewesen seien. Wenn man einen Binnenmarkt teile, könne man „gar keine unterschiedlichen Positionen zu dem größten Handelspartner der EU“ – China – „und insbesondere zu Deutschland fahren“. Zugleich warnte Baerbock angesichts der möglichen weltweiten Folgen für die Lieferketten vor einer militärischen Eskalation in der Straße von Taiwan.
Die EU habe schon vor einiger Zeit deutlich gemacht, dass China Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale sei, sagte Baerbock. Man könne das China von heute nicht mehr mit den Maßstäben von gestern messen. Es sei aber auch klar, dass man „an dieser aufstrebenden Weltmacht, an einem Volk mit Milliarden von Menschen, an einem unserer größten Handelspartner“ nicht nur nicht vorbeikomme. Vielmehr sei ein enger Austausch nötig, gerade auch im Sinne der Menschen, der Beschäftigten und der Wirtschaft. „Klar ist aber auch, dass wir in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China haben, die nicht gesund sind“, stellte Baerbock fest.
Auch angesichts der Rückendeckung Pekings für Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Reise für Baerbock eine der diplomatisch schwierigsten Missionen ihrer bisherigen Amtszeit sein. Es liege „in unserem maximalen Interesse, dass der russische Angriffskrieg endlich gerecht beendet wird“, so die Ministerin. Dies könne Putin. „Und ein Land hat am meisten Einfluss auf Russland und das ist China.“ Heute folgen für Baerbock die schwierigen politischen Gespräche in Peking.
Beim Windkraft-Getriebe-Produzenten Flender machte sie sich gestern in Tianjin ein Bild von den in China boomenden erneuerbaren Energien. Flender stellt Getriebe für Windturbinen her, beschäftigt mehr als 8000 Mitarbeiter und hat Standorte in Europa, den USA, Indien und China. In Tianjin werden Getriebe in Antriebskomponenten montiert. Der kaufmännische Geschäftsführer von Flender in China, Martin Kaufung, schwärmte von einer „gigantischen Auftragslage“. Und man sei schnell: Vom Angebot bis zur Aufstellung eines neuen Windkraftrades dauere es in China ein halbes Jahr. Davon kann man in Deutschland nur träumen.
Zwar liegt China auf Platz eins der Treibhausgas-Emittenten und trägt über 32 Prozent der globalen Emissionen bei. Doch der Anteil von erneuerbaren Energien hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.