Student sein war noch bis in das Kaiserreich hinein reine Männersache. 1903 war Bayern nach Baden das zweite Land, das Frauen zum Studium zuließ. 1908 folgte endlich Preußen.
Da die schiefe Moral in der Kaiserzeit echte Beziehungen zwischen Studenten und bürgerlichen Mädchen fast unmöglich machte, spielte die Schwärmerei für Mädchen in den Burschenliedern eine große Rolle.
Der erste Platz unter den angehimmelten weiblichen Schönheiten gehörte in der Studentensprache dabei der „filia hospitalis“. Das war die Tochter im Hause, wo der Student sein Zimmer angemietet hatte, oder auch die Gastwirtstochter dort, wo sich die Studenten zu Bier und Wein trafen. In dem schönen Liebesfilm „Alt Heidelberg“ aus dem Jahre 1959 mit Sabine Sinjen als Gastwirtstochter Käthi ist das bis heute lebendig.
Hoch über solcher liebenswerten Unterhaltung aber steht das Kunstlied von den drei Burschen an der Bahre des toten Töchterleins ihrer Wirtin. Nach einer alten Volksweise vertont ist es zum Evergreen geworden:
… Und als sie traten zur Kammer hinein, da lag sie in einem schwarzen Schrein.
Der erste, der schlug den Schleier zurück, und schaute sie an mit traurigem Blick.
„Ach lebtest du noch, du schöne Maid! Ich würde dich lieben von dieser Zeit.“
Der zweite deckte den Schleier zu und kehrte sich ab und weinte dazu.
„Ach, dass du liegst auf der Totenbahr! Ich hab dich geliebet so manches Jahr.“
Der dritte hub ihn wieder sogleich und küsste sie an den Mund so bleich.
„Dich liebt’ ich immer, dich lieb ich noch heut und werde dich lieben in Ewigkeit.“
Die Totenklage der drei jungen Männer erhellt drei Aspekte der Liebe. Die Worte des ersten zeigen beispielhaft auf, wie uns das Begehrenswerteste oft erst dann in vollem Umfang bewusst wird, wenn es unwiederbringlich entschwunden ist. Der zweite beklagt die Vergänglichkeit irdischen Glücks und den hilflosen Schmerz über den unersetzlichen Verlust. Erst der dritte Bursche aber zeigt den eigentlichen Kern wahrer, umfassender unbedingter Liebe. Solche Liebe macht nicht Halt vor den Grenzen der Vergänglichkeit und scheitert nicht an Fragen, auf die wir die Antwort schuldig bleiben müssen.
Es ist dies beileibe nicht das einzige Gedicht von Ludwig Uhland über den Tod und das junge Leben. In seinem Gedicht „Die Kapelle“ mit dem Hirtenknaben, der froh und munter bei Wies’ und Quelle hinaufhorcht auf die Klänge der Totenfeier hoch über ihm, ist es ebenso. Auch das Gedicht des Uhland im Dichterkreis verbundenen Justinus Kerner „Der Wanderer in der Sägemühle“ hat dieses Thema.
Man darf das nicht abtun als romantischen Kitsch. Denn in Wahrheit ist das, was vor allem Uhland über die Nähe von Jugend und Tod gedichtet hat, höchste Kunst. Auch wir sollten den Tod nicht aus unserem Leben verdrängen als etwas, das nur alte Menschen angeht.
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