München – Mit der geplanten Abschaltung der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke am heutigen Samstag wird das Weltklima einer Studie zufolge mit 15 Millionen Tonnen zusätzlich ausgestoßenem Treibhausgas CO2 pro Jahr belastet. „Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Wegfall der Kernenergie kurzfristig durch stärkere Kohleverstromung und mehr Strom aus Gaskraftwerken kompensiert wird“, sagte der Studien-Autor und Physiker der Universität Stuttgart, André Thess, der „Bild“-Zeitung, der die Studie vorlag. „Dies geht zulasten der CO2-Bilanz des deutschen Stromsektors und damit zu Lasten der deutschen Klimaschutzverpflichtungen.“
Thess ist einer von 20 Professoren, die im vergangenen Jahr eine Petition für den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke in den Bundestag einbrachten. Der Appell damals: Das Festhalten am deutschen Atomausstieg gefährde die Versorgungssicherheit und bremse – zusammen mit anhaltender Kohleverstromung – den internationalen Klimaschutz.
Nach Ansicht von Umweltministerin Steffi Lemke ist Atomkraft jedoch keine gute Option für die Klimarettung. „Atomkraft ist weder CO2-frei noch ist sie die CO2-ärmste Art der Energieerzeugung. Denn gerade die energieintensive Brennstofferzeugung ist klimaschädlich“, sagte die Grünen-Politikerin. Zudem sei sie wegen des enormen Kühlwasserbedarfs nicht robust gegen die Klimakrise. Lemke besuchte am Freitag am Rande eines G7-Treffens der Umwelt- und Energieminister auch das havarierte japanische Atomkraftwerk Fukushima Daiichi.
Für die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer (Grüne) ist der Atom-Ausstieg der endgültige Einstieg in eine „sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung“. Die unflexible Produktion von AKW-Strom verstopfe immer wieder die Stromnetze, was dazu führe, dass erneuerbare Energie ungenutzt abgeregelt werden müsse.
Die CSU hingegen spricht weiter von einem „energiepolitischen Irrweg“. Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, warnte erneut vor potenziellen Blackouts, weil Deutschland künftig auf Strom aus dem Ausland angewiesen sei. „Wir brauchen die Möglichkeit auf Strom aus den Kernkraftwerken als Sicherheitsreserve für die kommenden Winter.“ Deshalb müsse es Kanzler Scholz ermöglichen, neue Brennstäbe für die drei Kraftwerke als Energiereserve zu bestellen.
Die Energiebranche fordert unterdessen deutlich mehr Tempo beim Bau neuer Gaskraftwerke in Deutschland. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, sagte: „Um die Versorgungssicherheit auch langfristig jederzeit gewährleisten zu können, brauchen wir wasserstofffähige Gaskraftwerke, die gesicherte, regelbare Leistung als Partner der erneuerbaren Energien bereitstellen. Können sie nicht rechtzeitig in Betrieb gehen, hätte das hohe Klimagasemissionen zur Folge, denn Kohlekraftwerke müssten dann länger laufen.“ dg/mik/dpa