München – Zu Beginn des bayerischen Wahljahres sah sich Markus Söder gleich mehrfach zu Klarstellungen genötigt: „Für mich ist das Kapitel Berlin in Form einer Kandidatur definitiv abgeschlossen“, sagte er dann. Oder: „Ich persönlich habe definitiv keine Ambitionen mehr.“ Er ließ sich sogar zu dem Satz hinreißen: „Für mich war es immer passender, in Bayern zu sein.“
Nun ja, in der CDU erinnern sie sich schon noch daran, dass Söder das mit Bayern zumindest im Jahr 2021 nicht mehr so passend fand. Die Wucht, mit der er nach Berlin und auf die Kanzlerkandidatur der Union drängte, hat Narben in der Schwesterpartei hinterlassen. Vielleicht erklärt das auch, weshalb sich nun die zweite Reihe der CDU-Spitze unverhofft für eine frühe Klärung der K-Frage ins Zeug wirft. Denn selbst in der CSU glauben viele, dass Söder im Falle eines überzeugenden Sieges am 8. Oktober plötzlich doch wieder bundespolitische Ambitionen entdeckt. Egal, wie definitiv er das gerade ausschließt. Will das Merz-Lager also früh Fakten schaffen?
„Ich halte Friedrich Merz für den besten Kandidaten, um dieses Land wieder nach vorne zu bringen“, zitiert „Der Spiegel“ den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden und Chef der Grundsatzkommission, Carsten Linnemann. Ihm assistiert Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Beide sind aktuell enge Gefolgsleute von Merz.
Die Deutlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt überrascht. Merz hatte im Januar in einem Doppelinterview, das er mit Söder unserer Zeitung gab, einen anderen Zeitplan aufgestellt: „Sie brauchen für die gute Vorbereitung einer Bundestagswahl ein Jahr“, sagte er. Nehme man also den regulären Wahltermin im Herbst 2025, dann hieße das: „Spätestens im Frühherbst 2024 müssen wir eine Entscheidung treffen.“
Dem Vernehmen nach steckt aber kein großer Plan hinter dem Vorstoß. Merz selbst sei nicht allzu glücklich, heißt es in der Union. Ein „typischer Linnemann“ sei das gewesen. Der CDU-Vize ist stets für eine Schlagzeile gut – nicht immer zur Freude der Parteifreunde. Erst vor einigen Tagen brachte er die CDU-Überlegungen über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes an die Öffentlichkeit. Gerade in der CSU machte er sich damit keine Freunde.
Doch ganz aus dem luftleeren Raum kommt der Vorstoß nicht. Vergangene Woche sah das RTL/ntv-Trendbarometer Merz bei der Kanzlerpräferenz der von Forsa befragten Bürger vorn – erstmals auch vor Amtsinhaber Olaf Scholz. Damit rückt Merz der Kandidatur tatsächlich ein Stück näher. Doch Söder ist nicht der einzige mögliche Konkurrent. Auch die Ministerpräsidenten Daniel Günther (Schleswig-Holstein) und Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen) wollen ein Wörtchen mitreden.
Wie das ablaufen soll, ist noch offen. Der leidgeprüfte Armin Laschet hatte unlängst ein neues Prozedere gefordert. „Das Verfahren, dass sich zwei Parteichefs treffen und das miteinander besprechen, ist ganz offenkundig das falsche.“ MIKE SCHIER