Kiew/Moskau/Ramstein – Die Ukraine wird Mitglied der Nato – das hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versprochen. Nur wann, ist noch offen. Am Nato-Gipfel im Juli nimmt Präsident Selenskyj trotzdem schon mal teil. „Ich habe ihn eingeladen, und ich freue mich, dass er die Einladung angenommen hat und am Nato-Gipfel in Vilnius teilnehmen wird“, sagte Stoltenberg.
Dass dabei schon der Weg für eine Aufnahme frei gemacht wird, ist unwahrscheinlich. „Jetzt geht es vor allem darum, dass die Ukraine siegt“, so Stoltenberg. „Denn wenn sich die Ukraine nicht als souveräne unabhängige Nation in Europa durchsetzt, dann ist es sinnlos, über eine Mitgliedschaft zu diskutieren.“ Er sprach sich für Gespräche über eine Abgabe westlicher Kampfjets an die Ukraine aus. Bislang hat Kiew aus dem Westen Kampfjets sowjetischer Bauart erhalten, wünscht sich aber Flugzeuge westlicher Bauart.
Auch die Bundesregierung stellte klar, dass es momentan keine Entscheidung über einen Nato-Beitritt der Ukraine gebe. Im Vordergrund stehe die weitere militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung, sagte eine Regierungssprecherin.
Selenskyj forderte hingegen, auf dem Gipfel den Weg zur Aufnahme seines Landes ins Militärbündnis frei zu machen. Weder in der Ukraine noch in Europa noch in der Nato würde die Mehrheit der Bevölkerung verstehen, wenn Kiew keine „wohlverdiente Einladung“ erhielte, sagt Selenskyj. Kaum jemand trage mehr zur euroatlantischen Sicherheit bei als die ukrainischen Soldaten.
Moskau reagierte verärgert. „Die Nato setzt offensichtlich ihren Kurs fort, die Ukraine zu verschlingen und in das Bündnis zu ziehen“, meinte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Mit Blick auf Putins Einmarsch sagte er: „All das zeigt einmal mehr jedem, der zumindest ein wenig Denkvermögen hat, die Richtigkeit der Entscheidung des Präsidenten über den Anfang dieser Operation.“
Die USA und ihre Verbündeten hatten sich am Freitag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein getroffen, um über weitere Militärhilfen für die Ukraine zu beraten. „Die Ukraine braucht dringend unsere Hilfe, um ihre Bürger, Infrastruktur und Einheiten vor der Bedrohung durch russische Raketen zu schützen“, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei dem Treffen in der Pfalz. Die USA würden in den kommenden Wochen amerikanische Abrams-Panzer nach Deutschland liefern, um ukrainische Soldaten daran auszubilden. Das Training solle im bayerischen Grafenwöhr stattfinden und etwa 10 Wochen dauern. Anfangs sollen rund 250 ukrainischen Soldaten an den Panzern ausgebildet werden.
Zudem sollen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zufolge demnächst deutsche Leopard-Panzer, die im Krieg beschädigt wurden, in Polen repariert werden und damit schneller zurück an die Front kommen. Deutschland, die Ukraine und Polen haben sich demnach auf ein gemeinsames Reparaturzentrum an der polnisch-ukrainischen Grenze geeinigt. Er gehe davon aus, dass das Reparaturzentrum „Ende nächsten Monats“ die Arbeit aufnehmen könne, sagte Pistorius.
Unterdessen ist die russische Großstadt Belgorod versehentlich zur Frontstadt geworden: Offenbar hat ein russischer Kampfjet eine Bombe über der Stadt verloren. Mindestens drei Menschen wurden verletzt. Niemand schwebe in Lebensgefahr, teilte der Gouverneur der an die Ukraine grenzenden Region, Wjatscheslaw Gladkow, mit. Am Donnerstag hatte sich an einer Belgoroder Straßenkreuzung eine schwere Explosion ereignet, die einen Krater von rund 20 Metern Radius in den Boden riss. Später teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit, ein russischer Kampfjet habe „ungeplant Munition abgeschossen“. Auf Videos in Sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie in unmittelbarer Nähe zu mehrstöckigen Gebäuden eine Rauchwolke aufsteigt. Einige Sekunden später detoniert das Geschoss.