München – Der russische Angriffskrieg findet nicht nur auf ukrainischem Boden statt, sondern längst auch in Bayern – jedenfalls in digitaler Hinsicht. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) haben Desinformation und Propaganda „ein neues Niveau erreicht“. Russische Akteure würden in Sozialen Netzwerken gezielt versuchen, „gesellschaftliche Konflikte zu provozieren“. Dem neuen Verfassungsschutzbericht zufolge sind nicht nur die üblichen Extremismus-Strömungen von rechts und links eine Gefahr für die Demokratie – sondern auch Cyberattacken, Desinformationen und Spionage.
Cyberangriffe: Bayerische Unternehmen, Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur sowie staatliche Stellen und Forschungseinrichtungen müssten „jederzeit mit gezielten Cyberangriffen“ rechnen, warnt Herrmann. Erst vor zwei Wochen sei ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Augsburg zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er russischen Geheimdiensten Informationen aus der Luft- und Raumfahrt gesteckt hat. Man müsse von „verstärkten Aktivitäten im Bereich der Spionage“ ausgehen, sagt Herrmann.
AfD: Auffällig sei zudem, dass russische Akteure großen Erfolg dabei hätten, mit Fake News und Verschwörungstheorien in Sozialen Netzwerken die Gesellschaft zu spalten – und die AfD trage dazu bei, „dass Russland mit dieser Spaltung erfolgreich ist“, sagt Verfassungsschutz-Chef Burkhard Körner. „Auch die AfD versucht, demokratische Parteien und die Presse zu diskreditieren.“ Damit bewege man sich in den Plattformen auf „demselben Feld“ wie der Kreml. Trotzdem ist die AfD selbst nicht Teil des Berichts – bis vor Kurzem sei noch nicht klar gewesen, ob der Verfassungsschutz den Landesverband der AfD beobachten darf. Das entsprechende Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts ist erst vor einer Woche gefallen.
Rechtsextremismus: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ist im Jahr 2022 deutlich zurückgegangen: Insgesamt habe man fast 800 verzeichnet, ein Minus von 55 Prozent. Innenminister Herrmann warnt aber davor, sich von diesem Rückgang täuschen zu lassen: Es gebe viele weitere Straftaten, bei denen ein „Einfluss rechtsextremistischen Gedankenguts“ naheliege. Insgesamt bleibe die Zahl der Rechtsextremisten in Bayern auf hohem Niveau: Die Rede ist von 2600 Szene-Anhängern.
Reichsbürger: Die Szene der Reichsbürger wächst. Mit mehr als 5300 Anhängern habe sie 2022 ihren Höchststand erreicht, sagt Herrmann. Auch die Gewaltbereitschaft sei gestiegen – im Sommer 2022 habe es etwa auf einer Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums einen Angriff auf einen BR-Reporter gegeben. Insgesamt würden etwa 450 Personen aus der Szene als gewaltorientiert eingestuft.
Linksextremismus: Von 3200 Szeneangehörigen seien fast 900 Linksextremisten gewaltbereit. Herrmann spricht von einer „fortschreitenden Radikalisierung“ – auch wenn die Gruppierungen Probleme damit hätten, ihre Anhänger zu mobilisieren. Das habe der G7-Gipfel in Elmau gezeigt, wo weit weniger Aktivisten auftauchten als angekündigt. Klimaschutz-Gruppierungen wie die Letzte Generation, die derzeit Berlin blockieren (siehe Text oben), gehörten nicht zur Gruppe der Linksextremisten. „Ihre Motive richten sich nicht gegen den Staat, die Demokratie oder die Würde des Menschen“, so der Innenminister. Der Verfassungsschutz sei deshalb nicht zuständig. K. BRAUN