Knapp ist Berlin am Sonntagabend an einem politischen Desaster vorbeigeschrammt. Mit etwas über 50 Prozent stimmte die SPD-Basis für den Eintritt in die Große Koalition. Anders gesagt: Fast die Hälfte der Regierungspartei ist naiv und ideologiegeblendet genug, um jenem Linksbündnis hinterherzutrauern, das in wirklich jedem Politikfeld katastrophal regiert und sich die Abwahl hart verdient hat. Es ist gut für Berlin, dass nicht noch mehr Mitglieder der Juso-Kampagne gegen die Groko auf den Leim gingen. Und es ist auch gut für die 18-Prozent-SPD.
Berlin erlebt nun zwei Experimente. Die strukturell linke Stadt wird mit Kai Wegner von einem regierungsunerfahrenen, mäßig charismatischen Christdemokraten geführt; was noch lange nicht heißt, dass er scheitern wird. Gleichzeitig probiert Franziska Giffey mit ihrer SPD, ob man sich auch als Teil der Regierung erneuern und von einer Abwahl erholen kann. Sie hat dafür aber sehr gut verhandelt: Die Hälfte aller Senatorenposten, darunter die fachlich wichtigen für Inneres, Wirtschaft, Bauen sowie der emotional wichtige für Integration, landen bei den Sozialdemokraten. Wenn Wegner schnell Tritt fasst und wenn die SPD ihre Grabenkämpfe überwindet, hat diese Berlin-Groko passable Startchancen. Was beiderseits motivierend wirken dürfte: Scheitern CDU und SPD, wird der nächste Senat grün geführt.
Christian.Deutschlaender@ovb.net