München – Der Gastgeber bietet die protzigste, prächtigste Umgebung Bayerns. Vor rotgoldenen Samttapeten in den „Reichen Zimmern“ der Residenz, unter Kronleuchtern, Stuck und Gemälden, empfängt Markus Söder seine Besucher. Und dann das: „Schön hier“, sagt Hendrik Wüst sehr knapp und kühl auf die Frage, wie es ihm gefalle. „Mehr net?“, raunt Söder von der Seite. „Sehr schön hier“, ergänzt Wüst, noch immer mäßig beeindruckt, das sei eben „Ausdruck des bayerischen Selbstbewusstseins“.
Die kleine Szene sagt viel aus über das Treffen der Regierungen aus NRW und Bayern: Da tagen zwei große Länder gemeinsam, und Wüst bemüht sich sehr, nicht als vom Glanz beeindruckter Gast zu Hofe zu wirken. Die beiden Regierungen, die 37 Prozent der Deutschen unter sich haben, 30 Prozent der Fläche, bei sich 40 Prozent der Wirtschaftskraft und jedes zweite Dax-Unternehmen beherbergen, sehen sich auf Augenhöhe; die beiden Ministerpräsidenten sind es politisch und physisch weitgehend auch.
Das Signal soll eher sein: Wir zwei gegen die anderen in Berlin. Vor allem in der Migrationspolitik, das ist nämlich das brennendste Thema des Treffens. Die Ministerpräsidenten Wüst (CDU) und Söder (CSU) verständigen sich auf eine gemeinsame Linie vor dem lange erwarteten Flüchtlingsgipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Es ist kein schriller, lauter Kurs, aber die Forderung, dass der Bund mehr zahlt und die Zuwanderung besser steuert.
Söder betont erneut die generelle Hilfsbereitschaft und seinen Zweiklang aus „Ja zu Arbeitsmigration, Nein zu illegaler Zuwanderung“. Er verlangt vom Bund, Rücknahme-Abkommen mit anderen Staaten zu schließen und notfalls Entwicklungshilfe-Gelder daran zu koppeln. Es müsse leichter werden, straffällige Asylbewerber abzuschieben. Wüst fordert „Kontrolle und Regulierung an den Außengrenzen“, mehr Immobilien und eine faire Lastenteilung von Berlin. Die Sache könne sonst „groß und krisenhaft“ werden.
Das könnte man härter formulieren, so wie am Wochenende Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er forderte, die Gesamtzahl der Ankünfte zu senken und freiwillige Aufnahmeprogramme (etwa für Afghanen) zu stoppen. Wüst, der mit den Grünen gemeinsam regiert, und Söder, der sich beim Thema Asyl nie mehr wie 2018 den Mund verbrennen will, schließen sich auf Nachfrage nicht an.
Jenseits dieses Themas ist der Besuch aus Düsseldorf vor allem ein atmosphärisches Ding. Auch zwischen den Ministerpräsidenten, die sich lange kennen und demonstrativ duzen. Söder relativiert seine Äußerung über die Fußball-Bundesliga, Dortmund sei leider „zu doof“, um Meister zu werden. Und, was auch nur unwesentlich wichtiger ist derzeit: Beide bemühen sich, die Debatte um die Kanzlerkandidatur in der Union nicht zu befeuern. Auch wenn sie dauernd gefragt werden. Man werde das zwischen CDU und CSU besser regeln als 2021, sagen sie. Weder Wüst noch Söder lassen eigene Ambitionen erkennen. Sie verweisen auf den Zeitplan, den CDU-Chef Friedrich Merz vorgibt: eine Einigung im Spätsommer 2024. Die Wahl ist ja erst im Herbst 2025. Eine Einigung auf einen Unionskandidaten werde an ihm „ganz sicher nicht scheitern“, sagt Söder.
Merz selbst äußert sich am Dienstag in Berlin. „Spätsommer 2024 und nicht vorher“, bekräftigt er und verweist auf die dann absolvierte Europawahl. C. DEUTSCHLÄNDER