Kai Wegners erster voller Arbeitstag als Regierender Bürgermeister verlief ohne Pannen. Nicht mal die AfD hat ihm ein Bein gestellt. Dazu bestand auch keine Gelegenheit mehr, anders als am Donnerstag, als die Rechtsausleger im Berliner Abgeordnetenhaus aus dem Nichts erklärten, im dritten Durchgang für Wegner gestimmt zu haben.
Öffentlichkeit und Politikbetrieb haben der Partei prompt den Gefallen getan, übers Stöckchen zu springen und die Empörungsmaschine anzuwerfen. Wegner sei womöglich „Bürgermeister von Gnaden der AfD-Faschos“, ereiferte sich die Linkspartei. Dabei ist völlig unklar, woher die 86 Stimmen genau kamen. 80 hätte Wegner gebraucht, 79 waren es eine Runde zuvor. Der Gedanke, dass ein paar unzufriedene Sozialdemokraten doch noch einlenkten, ist nicht vermessen.
Hinzu kommt: Vielleicht hat ja die AfD – man mag es kaum glauben – auch gelogen. Doch selbst wenn nicht, kann man sich nicht aussuchen, von wem man gewählt wird. Es macht einen Unterschied, ob man mit Rechtspolitikern eine Allianz schmiedet, oder ob sie ihre Stimme einem geben, der sich nicht wehren kann. Ersteres ist ein Tabubruch, Letzteres souverän zu ignorieren. Zudem ist Wegner, anders als der FDP-Mann Kemmerich in Thüringen, nicht nur durch das Taktieren der AfD ins Amt gelangt. Die Partei mag unangenehm schrill sein, ihr Personal zweifelhaft, das Verhältnis zur Demokratie oft heikel. Umso mehr sollte man sich hüten, jede ihrer Provokationen reflexhaft aufzuwerten.
Marc.Beyer@ovb.net