Selenskyj will Putin vor Tribunal sehen

von Redaktion

Ukrainischer Präsident überraschend in Den Haag – Polizei ermittelt wegen Bericht zu Berlin-Reise

München/Den Haag – Die Ukraine ärgert sich – mal wieder – über Berlin. Doch diesmal geht es nicht um Waffenlieferungen, sondern um deutsche Indiskretion. Weil ein Berliner Polizist offenbar zu viele Details über den geplanten Besuch von Wolodymyr Selenskyj am 13. und 14. Mai ausgeplaudert hat, erwägt man in Kiew Berichten zufolge, die Reise wieder abzusagen. Sogar das Hotel, in dem Selenskyj unterkommen sollte, stand in der Zeitung. Man sei „schwer enttäuscht“, dass „anscheinend aus deutschen Quellen bewusst sehr sensible sicherheitspolitische Informationen“ veröffentlicht worden seien, erfuhr t-online aus regierungsnahen Kreisen in der Ukraine. Der ganze Vorgang sei „unverantwortlich“ und könne „einen möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten infrage stellen“.

Auch die Berliner Polizei reagiert und hat Ermittlungen wegen des Verdachts des Geheimnisverrats eingeleitet, weil einer ihrer Beamten in einem Artikel zitiert wurde und offenbar vertrauliche Details zu dem geplanten Einsatz wiedergegeben hat. „Ich finde es unerträglich, dass – wenn man dem Artikel in der Zeitung Glauben schenkt – ein einzelner Mitarbeiter das Ansehen der Polizei Berlin auf eine derart beschämende Weise national und international beschädigt“, teilte Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit. Erst auf Nachfrage habe man später bestätigt, sich auf einen Besuch vorzubereiten.

Selenskyj kündigt seine Auslandsreisen aus Sicherheitsgründen für gewöhnlich erst sehr kurz vorher an – oder taucht ganz einfach in anderen Ländern auf. So hält er es auch am Donnerstag, als er schon in der Nacht überraschend zu einem Besuch in den Niederlanden eintrifft.

Dort trifft Selenskyj König Willem-Alexander und dankt für die Hilfe. Er besucht auch den Internationalen Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag. Und er nutzt den symbolträchtigen Ort, um eine strafrechtliche Verfolgung Russlands wegen Kriegsverbrechen zu fordern. „Natürlich hätten wir alle heute lieber einen anderen Wladimir hier in Den Haag gesehen“, sagt er. Das ist natürlich eine Anspielung auf Putin, der den gleichen Vornamen wie Selenskyj trägt – Wolodymyr ist allerdings die ukrainische Abwandlung. „Ein dauerhafter Frieden ist nur möglich, wenn wir die Aggressoren auch zur Verantwortung ziehen“, betont Selenskyj. Als Vorbild eines Tribunals nennt er die Nürnberger Prozesse gegen Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Doch auch wenn sich Selenskyj überzeugt zeigt, dass Putin eines Tages nach Den Haag gebracht werde: Sehr realistisch erscheint das zumindest im Moment nicht. Denn dazu müsste der russische Präsident ausgeliefert werden. Russland erkennt das Gericht aber nicht an.  hor

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