München – Gewöhnlich prahlt das Finanzministerium nicht mit steigenden Ausgaben, kürzlich machte es aber mal eine Ausnahme. Da twitterte das Ressort von Christian Lindner eine Grafik, die zeigte, wie viel die mächtigen G7-Staaten für Entwicklungshilfe zahlen: Deutschland lag mit 0,87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an der Spitze. Man übernehme „international Verantwortung“, schrieb das Ministerium stolz, bremste aber sicherheitshalber gleich: Mehr sei im Moment nicht drin.
Eigentlich ist die deutsche Entwicklungshilfe kein besonders heißes Thema. Dass man ausgerechnet jetzt darüber spricht, liegt auch nicht an der zuständigen Ministerin Svenja Schulze (SPD), sondern am bayerischen Quälgeist Markus Söder (CSU), der gerade gefordert hat, mit dem Geld Druck auf Länder auszuüben, die sich bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber querstellen. Aber die Sache ist komplizierter, als es den Anschein macht.
Klar ist: Es geht um einen Batzen Geld. Allein 2022 lag die Summe bei 33,3 Milliarden Euro, wie das Entwicklungsministerium auf Anfrage mitteilt. Im Jahr davor waren es noch 27,23 Milliarden Euro. Größter Empfänger war 2021 Indien (685,21 Millionen Euro), gefolgt von Syrien (658,61), Afghanistan (619,06), Jordanien (483,5) und der Türkei (419,66). Ein umstrittenes Kuriosum: Auch China, zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und vom Westen als „strategischer Rivale“ geführt, steht noch auf dem Zettel.
Peking ist aber ein Sonderfall. „Die klassische Entwicklungszusammenarbeit wurde schon vor mehr als zehn Jahren eingestellt“, sagt Stephan Klingebiel vom German Institute of Development and Sustainability (idos) in Bonn. Heißt: China bekommt keinen Cent mehr aus dem deutschen Haushalt, stattdessen aber Förderkredite der KfW Entwicklungsbank. Die wiederum sind projektgebunden und werden laut BMZ „für Maßnahmen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz“ bewilligt. In der Statistik fällt das unter Entwicklungszusammenarbeit.
Man kann das durchaus problematisch finden. Experte Klingebiel ist in der Frage zwiegespalten. Einerseits sei die Kreditvergabe sinnvoll, weil ohne China beim Klimaschutz nichts zu erreichen ist, sagt er. Andererseits passe die Praxis „überhaupt nicht mehr in die Landschaft“.
Der Münchner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU), Obmann im Entwicklungsausschuss, sieht das ähnlich. Es sei zwar „richtig, dass wir bei Projekten, die beispielsweise dem Klimaschutz dienen, zusammenarbeiten“, sagte er unserer Zeitung. „Allerdings müssen wir besser hinschauen, ob bestimmte Vorhaben wirklich einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten, oder ob wir nur Geld verpulvern“. Das Recherchenetzwerk „Correktiv“ etwa deckte unlängst auf, dass mit deutscher Entwicklungshilfe indirekt auch klimaschädliche Projekte finanziert werden – nicht nur in China.
Auch die Ampel hadert. In einem Entwurf zur geplanten China-Strategie, der vor einigen Monaten durchgestochen wurde, waren die Kredite an Peking vollends gestrichen. Neues gibt es dazu zwar nicht. Allerdings ist man im BMZ bemüht, die Sache richtig einzuordnen. 2021 habe China 335 Millionen Euro erhalten, heißt es. Teils waren das besagte Kredite. Zum Großteil aber „Studienplatzkosten für in Deutschland studierende Chinesen“.
Entwicklungshilfe im klassischen Sinne ist das tatsächlich nicht mehr. Das gilt nicht nur für China. Zwar bleibt Armutsbekämpfung, vor allem in afrikanischen Staaten, aber auch in Ländern wie Indien, ein wichtiger Ansatz deutscher Entwicklungspolitik. Ein gewichtiger Teil der Hilfe geht aber auch mit eigenen Interessen einher (Klimaschutz, Fluchtprävention).
Und: Ein nicht unerheblicher Teil der 33,3 Milliarden Euro, mit denen sich der Bund so brüstet, kommt gar nicht direkt aus dem Bundeshaushalt. Neben KfW-Krediten rechnet das BMZ etwa auch die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung in Deutschland mit in die Entwicklungshilfe ein. Die machte im vergangenen Jahr rund 13 Prozent der gesamten Hilfe aus, vor allem wegen des starken Zustroms von Ukrainern.