Grüne hadern mit Asylzentren

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Kürzlich bekam Nancy Faeser ein Lob der unerwarteten Art. Horst Seehofer, ihr Vorgänger im Innenministerium, wünschte der SPD-Politikerin via „Spiegel“ eine „glückliche Hand“ bei der Durchsetzung ihrer Pläne. Wobei, darin lag auch ein amüsierter Horstscher Unterton, den man so übersetzen könnte: Na gut, Nancy, dann versuch’ mal dein Glück.

Faeser, Ministerin und beginnende Hessen-Wahlkämpferin in einem, fordert, was in der SPD lange verpönt war: Asylzentren an den Außengrenzen der EU. Es ist nicht ihre Erfindung: Die EU-Kommission hat einen solchen Vorschlag schon gemacht, auch Seehofer brachte die Idee einst ins Spiel, mehrfach sogar. Durchsetzen konnte er sie nicht. Vor allem links der Mitte hielt man sie für populistisches Teufelszeug.

Nun ist aber Bewegung in der Debatte. Faeser sieht sogar ein „historisches Momentum“, um endlich zu einer funktionierenden EU-Asylpolitik zu kommen. Im Kern könnte das so funktionieren: Migranten, die an europäische Grenzen gelangen, werden verpflichtend auf Identität und Schutzbedürftigkeit geprüft. Wer gute Aussichten auf Asyl hat, wird auf EU-Länder verteilt und bekommt ein reguläres Verfahren. Personen aus Ländern mit schlechter Anerkennungsquote (maximal 15 Prozent) kommen in besagte Asylzentren, binnen zwölf Wochen wird über ihr Asylgesuch entschieden. Fällt es negativ aus, sollen die Leute in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden.

Frühzeitiges Aussieben, das ist die Idee, die innenpolitisch alles andere als konfliktfrei ist. Vor allem die Grünen tun sich schwer. Zwar hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir Sympathien für eine Asyl-Vorprüfung an den Grenzen signalisiert. In Summe aber widerspricht der Vorschlag der grünen DNA. „Das wird noch Streit in der Ampel geben“, sagte die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch kürzlich unserer Zeitung.

Erik Marquardt, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt, sieht mehrere Probleme. „Diese Zentren wäre im Grunde Haftanstalten für Geflüchtete“, sagte er unserer Zeitung. Niemand könne garantieren, dass dort EU-Recht gelte. Die Idee von Schnellverfahren sei schon im griechischen Flüchtlingslager Moria gescheitert, wo schlimmste Bedingungen herrschten. Überhaupt: „Man muss Staaten wie Italien erst mal überreden, solche Zentren auf ihrem Territorium zu akzeptieren.“ Er hält das für illusorisch. Schon jetzt schickten die Außengrenzstaaten Schutzsuchende oft lieber nach Deutschland weiter, als ihre Asylanträge zu prüfen. „Warum sollte sich das nun ändern?“

Auch der Migrationsexperte Gerald Knaus hat Zweifel. „Das wird alles zu nichts führen“, sagte er der „Zeit“. Die Grenzstaaten hätten keine Garantie, dass andere EU-Länder ihnen die Flüchtlinge abnehmen (ein gerechter Verteilmechanismus scheitert seit Jahren an Ländern wie Ungarn oder Polen), noch könnten sie sie einfach in ihre Heimat zurückschicken. Rückführungsabkommen fehlten.

Die Hürden sind natürlich bekannt, Faeser stemmt sich mit ministerieller Zuversicht dagegen. Sie verhandele „mit aller Kraft“ über eine faire Verteilung in Europa, sagte sie. Für Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern gibt es inzwischen einen eigenen Beauftragten, den FDP-Politiker Joachim Stamp.

Der Druck ist groß, nicht nur innenpolitisch. Auch in der EU weiß man, dass Asyl-Fortschritte nötig sind. Anderenfalls, so die Angst, könnten bei der Europawahl 2024 die Populisten stark profitieren. Während die einen Zweifel am Durchbruch haben, ist nicht nur Faeser optimistisch. Auch EVP-Chef Manfred Weber glaubt, in der Asylpolitik könnte bis Jahresende eine Lösung stehen. Bei den Mitgliedstaaten tue sich etwas, sagte er unserer Zeitung kürzlich.

Marquardt sagt, die Neu-Positionierung Berlins habe in der EU etwas ausgelöst. „Deutschland hat da einen Stein ins Rollen gebracht.“ Für ihn kein Grund zur Freude.

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