Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz hat ein bemerkenswertes Buch („Führung und Verantwortung“, Siedler) vorgelegt über Angela Merkels Außenpolitik. Dazu etwas zu sagen, ist der 1955 in Neuss geborene Rheinländer ganz besonders berufen. Von 2005 bis 2017 war er außen- und sicherheitspolitischer Berater der Bundeskanzlerin.
Der Gleichklang zwischen Angela Merkel und dem amerikanischen Präsidenten Obama war ein Höhepunkt dieser Jahre. Fast unter Tränen verabschiedet sich der aus dem Amt scheidende Obama von seiner deutschen Freundin. Noch aus dem Auto gibt er Heusgen die Hand: „Thank you Christoph“.
Ebenso anschaulich weiß Heusgen von Merkels Werben um Putin zu berichten. Im vertrauten Austausch sprechen sie Russisch und er Deutsch zusammen. Putin zitiert deutsche Literatur und Frau Merkel berichtet von ihren Reisen als DDR-Mädel per Anhalter durch die damalige Sowjetunion. Redlich ist sie bemüht, den russischen Bären zu bändigen. Aber es ist nicht gelungen. Das Kapitel über Russland trägt die Überschrift: „Von der Partnerschaft zum Zivilisationsbruch“.
Dem Projekt Nord Stream 2 stand Heusgen persönlich von Anfang an sehr skeptisch gegenüber. Aus russischer Sicht hatte die Ostseepipeline ja vor allem den Zweck, die Ukraine jederzeit unter Druck setzen zu können. Dass alle Bedenken von der Bundeskanzlerin beiseite geschoben wurden, lag insbesondere am Drängen der SPD mit ihrem Wirtschaftsminister Gabriel und an Teilen der Wirtschaft. So kam die fatale Entscheidung, die Gasröhren zuzulassen.
Heusgen schildert völlig klar, warum Putin eine prosperierende, demokratische Ukraine nicht dulden kann. Könnte doch dann die russische Bevölkerung ähnliche Veränderungen für Russland einfordern. „Wir dürfen nicht vergessen“, schreibt er dazu, „dass die Ukrainer nicht nur ihre, sondern auch unsere Freiheit verteidigen.“
Bei einem ihrer Besuche in China hat Angela Merkel den chinesischen Präsidenten Xi vor Studenten einer dortigen Universität tüchtig ins Schwitzen gebracht. Die Kennerin des Marxismus hatte gefragt, wie das Land die Herausbildung chinesischer Multimillionäre mit den Zielen des Kommunismus vereinbaren kann? Die Antwort von Xi vor den Studenten war, dass die atemberaubende Zunahme der Anzahl der Reichen lediglich das Phänomen einer Übergangsphase sei. Frau Merkel vermochte das nicht zu überzeugen.
Das wichtigste Kapitel in diesem so lebendigen Buch ist vielleicht am Schluss der Ausblick für unser Land. Deutschland müsse jetzt Führung übernehmen, nicht in Sonntagsreden, sondern in der täglichen Praxis. „Und Verantwortung übernehmen kann nicht heißen, immer nur als Letzter das Nötigste zu tun. Vielmehr gehört dazu, dass wir neben der Wiederherstellung unserer Verteidigungsbereitschaft bereit sind, zur Lösung von Konflikten auch politische Initiativen zu ergreifen.“ Nach dem Grauen des Zweiten Weltkrieges haben die Roosevelts, Trumans, Churchills, de Gaulles und Adenauers als Fundament gelegt, dass die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren Geltung haben muss. So blickt dieser kundige Autor zurück auf die Anfänge, auf die insgesamt doch sehr seriösen Merkel-Jahre und voraus auf die Aufgaben, die vor uns liegen.
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