Hiroshima – Ein Anti-China-Gipfel soll es nicht werden, beteuern Diplomaten. Aber die Kritik an China ist allgegenwärtig beim G7-Gipfel der demokratischen Wirtschaftsmächte in Japan. „Unsere Politik gegenüber China muss sich ändern, weil China sich verändert hat“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Hiroshima, als es intensiv um den Umgang mit der Führung in Peking ging. „China ist im Inland repressiver und im Ausland forscher geworden, besonders in seiner Nachbarschaft.“
Das Verhältnis zwischen den USA und China ist schlechter denn je. Die Europäer hadern mit der aufstrebenden Großmacht. In Deutschland geht die Angst vor der Abhängigkeit von der zweitgrößten Volkswirtschaft um. Nicht immer sind sich die Europäer untereinander oder mit den Amerikanern einig über die richtige Gangart. China steht in Hiroshima so sehr im Fokus wie nie zuvor bei einem G7-Gipfel.
Die Europäer und die USA nehmen besonders Anstoß an der „unbegrenzten Freundschaft“, die China mit Russlands Präsident Wladimir Putin pflegt. Bis heute hat Peking den Angriffskrieg in der Ukraine nicht einmal verurteilt. In der Rivalität mit den USA macht China mit Russland vielmehr Front gegen den Westen, will eine neue Weltordnung bauen. Sein angriffslustiges Auftreten auf der globalen Bühne, seine Drohungen gegen Taiwan, die Ansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer und wirtschaftliche Muskelspiele lassen China immer weniger als Partner oder Wettbewerber, sondern vielmehr als Rivale erscheinen.
China spürt den Gegenwind der G7, kontert gleich zum Auftakt. Es tut die Gruppe als „kleine Clique“ ab – Marionetten, die von den USA in eine Konfrontation mit China gesteuert werden. Die USA nutzten „verschiedene Schurkenmittel“ wie Sanktionen, wirtschaftliche Blockaden, militärische Drohungen und politische Isolation, heißt es in einer Retourkutsche auf Pläne der G7, „wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ Chinas anprangern zu wollen.
„Die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas“, ist Staats- und Parteichef Xi Jinping ohnehin fest überzeugt. Er setzt deswegen auf mehr Eigenständigkeit Chinas – ähnlich wie die Europäer und Amerikaner, wenn diese über „Risikominderung“ oder „Diversifizierung“ oder gar „Abkopplung“ diskutieren.
In seiner Außenpolitik fährt US-Präsident Joe Biden einen harten Kurs gegen China, das als größter Konkurrent und größte geopolitische Herausforderung gesehen wird. Die USA wenden viel Energie auf, um Bünde auszubauen – zu wichtigen Akteuren in Asien, um Chinas Machtstreben etwas entgegenzusetzen. Dabei sind sie wie die Europäer stets bemüht zu betonen, dass es nicht um eine „Anti-China-Allianz“ gehe und sich niemand zwischen ihnen und China entscheiden müsse.
Der Umgang mit Peking soll trotz allem irgendwie kooperativ sein: Eine Entkopplung sei weder machbar noch im Interesse Europas, so von der Leyen. „Deswegen sollten wir die Kommunikationskanäle offenhalten und mit China in Bereichen wie Klimawandel, Pandemie-Vorkehrungen, finanzieller Stabilität und atomarer Weiterverbreitung zusammenarbeiten.“ Doch sollten Schwachstellen in den Wirtschaftsbeziehungen verringert werden.
Die Europäer sind sich einig, viel zu abhängig von China zu sein – und dass Peking vielfach in inakzeptabler Art und Weise gegen europäische Werte verstößt. Eine gemeinsame Antwort darauf gibt es noch nicht. Die Abhängigkeiten von China sind unterschiedlich ausgeprägt – und dadurch, wer stärker unter Vergeltung leiden würden. Für Deutschland ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner.