Sunak droht die Meuterei der Tories

von Redaktion

VON BENEDIKT VON IMHOFF

London – Rishi Sunak dürfte recht froh sein, dass ihn derzeit rund 9500 Kilometer vom Chaos trennen. In Japan diskutiert der britische Premierminister im Kreis der G7 über die großen Krisen der Weltpolitik. Doch in der Heimat kriselt Sunaks Regierung an allen Ecken und Enden. Der rechte Flügel seiner Konservativen Partei tanzt ihm auf der Nase herum, seine wichtigsten Versprechen wird er kaum halten können, und nach einer Wahlschlappe glauben immer weniger Mitstreiter an einen Erfolg bei der Parlamentswahl 2024.

Der Mai drohe für den Regierungschef zum „Monat der Meuterei“ zu werden, kommentierte die konservative Zeitschrift „Spectator“ mit Blick auf verärgerte Hinterbänkler. Bei fast allen Gesetzesprojekten gibt es Unruhe in den eigenen Reihen. Jüngstes Beispiel: Entgegen ihrer Ankündigung will die Regierung nun doch deutlich weniger Gesetze aus der britischen EU-Zeit zum Jahresende ersatzlos auslaufen lassen. Experten loben eine Rückkehr zur Realpolitik. Doch einflussreiche Brexit-Hardliner schrien Zeter und Mordio.

Der Eindruck verstärkt sich, dass der Premier den eigenen Laden nicht im Griff hat. Führende Tories lästern offen übereinander. Peinlich für die Regierung war auch, dass mehrere Kabinettsmitglieder auf einer Konferenz zu „Nationalkonservatismus“ auftraten, bei der Redner mit rechten, transphoben und rassistischen Parolen auffielen. „Spectator“-Mitherausgeber Douglas Murray etwa verharmloste die Nazi-Terrorherrschaft: „Ich sehe keinen Grund, warum jedes andere Land der Welt daran gehindert werden sollte, stolz auf sich selbst zu sein, nur weil es die Deutschen in einem Jahrhundert gleich zwei Mal verbockt haben.“

Für das größte Aufsehen auf der Veranstaltung sorgte Innenministerin Suella Braverman. Ihr Ritt quer durch den rechtskonservativen Themengarten wurde allseits als Bewerbungsrede für die Downing Street aufgefasst. „Sunaks Feinde und Rivalen, vor allem Suella Braverman, werben bereits aktiv darum, ihm nachzufolgen, sobald die nächste Parlamentswahl verloren ist“, sagt der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster.

Sunaks Reaktion? Gab es nicht – obwohl Braverman unter anderem die Migrationspolitik der Regierung kritisierte, für die sie selbst verantwortlich ist. Der Premier tritt betont locker und jugendlich auf, gerne zeigt der 43-Jährige ein strahlendes Lachen. Doch wenn es um Inhalte geht, bleibt vom Charme wenig übrig. Wie ein Mantra wiederholt der Premier stets seine fünf Versprechen: Inflation halbieren, Wirtschaft ankurbeln, Schulden abbauen, Wartelisten im Gesundheitsdienst reduzieren und die irreguläre Migration über den Ärmelkanal stoppen. Doch über gute Ansätze kommt Sunak bisher nicht hinaus. Stand jetzt dürfte er kaum ein Versprechen halten, zeigen Statistiken.

Ein heftiger Rückschlag war zudem die Klatsche bei den Kommunalwahlen: Mehr als 1000 Sitze gingen den Konservativen verloren. „Verblendete Tories sind blind für das Ausmaß der bevorstehenden Katastrophe“, kommentierte der Kolumnist Allister Heath im konservativen „Telegraph“. „Sie steuern auf eine große Niederlage zu.“

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