„Als hätte sie selbst abgedrückt“

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH UND MARCUS MÄCKLER

München/Chemnitz – So offen hat sie noch nie gesprochen. Mehr als acht Stunden lang hat die verurteilte Rechtsterroristin Beate Zschäpe gestern in Chemnitz auf Fragen der Mitglieder des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses geantwortet – und dabei auch deutlicher als je zuvor ihre eigene Mitschuld an den Morden des Nazi-Trios eingestanden. Sie sei „so schuldig, als hätte sie selbst abgedrückt“, habe sie gesagt. Das berichtet im Anschluss der Ausschuss-Vorsitzende Toni Schuberl (Grüne). Denn sie habe die Möglichkeit gehabt, Morde zu verhindern, wenn sie sich gestellt hätte, führte Zschäpe Ausschussmitgliedern zufolge weiter aus. Stattdessen habe sie zu Unrecht das Leben ihrer Kumpanen über das der unschuldigen Opfer gestellt.

Die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) – Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – war von 2000 an jahrelang mordend durch Deutschland gezogen. Ihre Opfer waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt verübten zudem zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten. Die beiden töteten sich 2011, um ihrer Festnahme zu entgehen – erst damit war der NSU aufgeflogen.

Mit dem bayerischen Untersuchungsausschuss sprach Zschäpe nun erstmalig nach ihrer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe über die Geschehnisse. Überraschend offen – wie die Teilnehmer danach berichten. Die bayerischen Abgeordneten waren für die Vernehmung extra in die JVA Chemnitz gereist.

Neben ihrem Schuldeingeständnis sei Zschäpe inhaltlich zwar größtenteils bei ihrer Linie aus dem Prozess geblieben, bei dem sie sich nur schriftlich geäußert hatte. Darüber hinaus berichtete sie aber auch über viele Details rund um die Mordserie – und antwortete erstmals direkt auf Fragen. So erzählte sie laut Schuberl, dass sich Uwe Mundlos sehr darüber amüsiert habe, dass die Polizei lange Zeit in die völlig falsche Richtung ermittelt hatte – Stichwort „Dönermorde“. Uwe Böhnhardt hingegen habe sich eher geärgert, dass die Taten zunächst nicht der rechtsextremen Szene zugeordnet wurden. Unabhängig von der persönlichen Einordnung seien sie aber alle drei sehr überrascht darüber gewesen. Mehrmals habe es zudem Situationen gegeben, in denen sie sich gewundert hätten, dass sie noch nicht verhaftet worden waren.

Orte, an denen sie Morde begehen wollten, hätten sie immer schon im Voraus ausgekundschaftet, nicht erst am Tag der Tat. In ihrem Wohnmobil hätten sie ganz bewusst Kinderspielzeug platziert, um bei möglichen Polizeikontrollen unverdächtig zu wirken. Die Opfer hätten sie zufällig ausgewählt, es sei ihnen dabei darum gegangen, dass sie türkischer Herkunft seien, erzählte Zschäpe dem Ausschuss. Das griechischstämmige Opfer sei demnach wohl fehlerhaft ausgewählt worden.

Zschäpe habe während der Vernehmung „aufgeräumt“ und „strukturiert“ gewirkt, sagt Holger Dremel (CSU). Dabei habe sie bestritten, dass das Trio Helfer in Bayern gehabt habe. Ein Punkt, in dem sie für Arif Tasdelen allerdings „nicht sehr glaubwürdig“ wirkte. Der SPD-Abgeordnete ist der Überzeugung, dass das Trio Helfer in Bayern gehabt haben muss. Schuberl betont in diesem Zusammenhang, dass Zschäpe diese Aussage nur auf sich selbst bezogen habe. Dass beispielsweise Mundlos Kontakte im Freistaat gehabt haben könnte, habe sie damit nicht ausgeschlossen.

Dass Zschäpes Befragung durch den Ausschuss damit einen doch recht großen Erkenntnisgewinn eingebracht hat, war von vielen Kritikern nicht erwartet worden. Vor Gericht hatte Zschäpe schließlich überwiegend gemauert. Darüber, wie viel Aufwand gerechtfertigt ist, gingen die Meinungen im Vorfeld deshalb ziemlich auseinander.

Der Abschlussbericht des Ausschusses soll schon im Juni fertig sein, nach weit mehr als 30 Sitzungen und einer Reise nach Chemnitz.

Im Wohnmobil platzierten sie Kinderspielzeug

Artikel 9 von 11