Was für eine Demütigung für das russische Regime. Mindestens einen Tag lang ließ sich die sonst so aufgeblasene Putin-Clique auf eigenem Boden vorführen, überrumpelt von zwei russischen (!) Milizen. Geheimdienst, Militär, Kreml-Führung, sie alle haben (trotz Warnungen aus Belgorod) versagt. Für Putin muss der ganze Vorgang erschütternd sein: Der Mann, der Kiew vor 15 Monaten im Handumdrehen einnehmen wollte, kann heute nicht mal mehr die eigene Bevölkerung schützen.
Insofern haben die Kämpfer mit überschaubarem Aufwand viel erreicht, zumal die Russen jetzt gezwungen sind, ihren Grenzschutz zu verstärken – womöglich mit Truppen, die dann an der Front fehlen. Vermutlich war das sogar das vorrangige Ziel der Operation, die (bis hin zu Anspielungen auf die russische Krim-Annexion) zu gut orchestriert war, um nicht mit Kiew abgesprochen zu sein. Man kann das riskant finden, immerhin ist die westliche Unterstützung klar an die Bedingung geknüpft, nicht in Russland zu eskalieren. Aber der Vorstoß zielte ja nicht darauf ab, russisches Gebiet zu erobern. Eher war er ein Scharmützel mit dem Ziel, die Russen vor der kommenden Offensive kirre zu machen. In Moskau mag die Brutalität zu Hause sein, in Kiew aber die Raffinesse.
Marcus.Maeckler@ovb.net