Kiew/Moskau – Die an die Ukraine grenzende russische Region Belgorod ist in der Nacht zum Mittwoch erneut von Angriffen getroffen worden. Es habe „zahlreiche“ Drohnenangriffe gegeben, erklärte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow im Online-Dienst Telegram. Die Luftabwehr habe „einen Großteil“ abgewehrt, dennoch hätten die Angriffe Schäden an Fahrzeugen, Häusern und öffentlicher Infrastruktur verursacht. Menschen seien nicht zu Schaden gekommen.
Gladkow zufolge wurden durch die Angriffe mehrere Wohnhäuser, Bürokomplexe und Fahrzeuge beschädigt, der genaue Umfang der Schäden werde noch ermittelt. Zudem sei eine Gas-Pipeline im Bezirk Graiworon beschädigt und ein Feuer ausgelöst worden.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab an, dass das Militär nach dem Angriff „mehr als 70 ukrainische Terroristen“ getötet habe. Unabhängig überprüft werden kann das nicht. Schoigu erklärte vor Offizieren, Russland werde weiterhin „schnell und extrem hart auf solche Aktionen ukrainischer Kämpfer“ reagieren.
Der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, bekräftigte unterdessen seine Kritik an der russischen Kriegsführung und warnte vor einer Niederlage. „Wir müssen uns auf einen sehr schweren Krieg vorbereiten“, sagte er in einem Interview. Russland müsse den Kriegszustand ausrufen, die Wirtschaft auf die Produktion von Munition umstellen und „neue Mobilmachungen einleiten“. Die eigenen Verluste in der monatelangen Schlacht um die Stadt Bachmut gab er erstmals mit 20 000 getöteten Soldaten an. Von den rund 50 000 rekrutierten Häftlingen seien 10 000 gestorben.
Erneut äußerte sich Prigoschin auch zu dem vom Kreml genannten Kriegsziel einer „Entmilitarisierung“ der Ukraine. Die Ukraine habe heute viel mehr und schwerere Waffen und mehr kämpfendes Personal als vor dem Krieg. Russland habe das Land in Wahrheit „militarisiert“. Prigoschin lobte die ukrainische Armee sogar als eine der besten der Welt. „Sie verfügen über ein hohes Maß an Organisation, ein hohes Ausbildungsniveau, ein hohes Maß an geheimdienstlicher Aufklärung, sie haben verschiedene Waffen. Sie arbeiten mit allen Systemen – sowjetischen oder von der Nato – gleichermaßen erfolgreich.“
Die Zahl der russischen Deserteure hat nach Angaben britischer Geheimdienste seit Jahresbeginn deutlich zugenommen. Seit Januar hätten Militärgerichte insgesamt 1053 Fälle von Fahnenflucht behandelt, berichtete das Verteidigungsministerium in London. Das seien mehr als im gesamten Vorjahr.
Weil sie an der Seite der Ukraine gekämpft haben, soll fünf Ausländern in Russland in Abwesenheit der Prozess gemacht werden. Er soll am 31. Mai beginnen, wie das Militärgericht im südrussischen Rostow mitteilte. Demnach sind drei Briten, ein Schwede und ein Kroate wegen „Söldnertums“ angeklagt, die alle bei einem Gefangenenaustausch im September freigekommen waren.