Kampf um die Krankenhausreform

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Karl Lauterbach und seine Leute versuchen alles, um die Sache einzufangen. Die „Bild“ hat am Dienstagabend eine große Geschichte veröffentlicht, wie man sie so ähnlich schon öfter lesen konnte. „Fast jede zweite Klinik vor dem Aus“, warnt das Boulevardmedium und zeigt online eine Liste, in welchen Bundesländern nach der von Lauterbach geplanten Reform angeblich bald wie viele Krankenhäuser keine richtigen Kliniken mehr sein werden (in Bayern demnach 146). Lauterbachs Pressesprecher verschickt sofort eine „Richtigstellung“ an alle Medien, in der er sämtliche „Unwahrheiten“ in dem Artikel aufzählt. Der SPD-Bundesgesundheitsminister selbst beklagt auf Twitter eine „Falschmeldung“ und führt gleich noch Länderkollegen auf, die das bestätigen könnten. Denn das alles geschieht, während Lauterbach gerade mit den Ministern der Bundesländer zusammensitzt, um über genau diese Reform zu verhandeln.

Lauterbachs Problem: Die „Bild“-Geschichte ist zwar bis an die Schmerzgrenze zugespitzt. Völlig ausgedacht hat sie sich das Blatt aber nicht. Denn die Reformpläne des Ministers würden sehr wohl dazu führen, dass mindestens einige Kliniken nicht mehr das wären, was man heute unter einem Krankenhaus versteht. Und weil er selbst im Dezember in einem großen Aufschlag einen Masterplan präsentiert hat, wie er und seine Expertenkommission das Ganze angehen würden, wurde Lauterbach damit eben auch beim Wort genommen.

Jedes Bundesland, jeder Landkreis, jede Kommune spielte durch, was das alles für ihre Krankenhäuser bedeuten könnte. Und das Ergebnis fanden nicht wenige beunruhigend. Zwar soll die Reform finanzielle Zwänge abbauen, die gerade kleinere Krankenhäuser vor Probleme stellen. Doch gleichzeitig soll durch mehr Spezialisierung die Qualität steigen – auch, indem zum Beispiel knappe personelle Ressourcen auf größere Häuser konzentriert werden. Viele Kleine fürchten hingegen, in einen Abwärtsstrudel zu geraten. Denn wer etwa seine Geburtshilfe abgibt und bei der Chirurgie abspeckt, ist schnell auch nicht mehr als Ausbildungsklinik attraktiv.

Seither ist viel passiert. Klinikverbände und Länder wie Bayern gingen auf die Barrikaden. Weil der Bundesminister die Zustimmung der Länder für seine Reform braucht, muss er mit ihnen gemeinsam an einem Kompromiss arbeiten. Monatlich triff man sich. Ein von Bayern beauftragtes Gutachten schätzt den ursprünglichen Plan zudem als verfassungswidrig ein, weil er die Zuständigkeit der Länder für die Krankenhausplanung verletzt.

Nun ist Lauterbach mit einem überarbeiteten und in einigen Punkten abgeschwächten Eckpunktepapier auf die Kritiker zugegangen. Doch nicht nur die Bayerische Krankenhausgesellschaft, die einen Großteil der Kliniken im Freistaat vertritt, hegt weiter Zweifel. „Ob dies reicht für eine gute Reform, ist noch sehr ungewiss“, sagt Geschäftsführer Roland Engehausen. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist noch lange nicht beruhigt. In den teils komplizierten Details um Level und Leistungsgruppen erkennt er noch viel Ungeklärtes. Und insbesondere Lauterbachs Pläne für die Finanzierung würden „ohne frisches Geld niemals funktionieren“. Und frisches Geld – im Gespräch sind bis zu 100 Milliarden Euro auf zehn Jahre – sitzt in Berlin gerade nicht locker. Ob der von Lauterbach gesetzte Zeitplan, der eine Einigung bis zum Sommer vorsieht, haltbar ist, wisse er nicht, sagt Holetschek unserer Zeitung. „Aber ein fauler Kompromiss hilft am Ende niemandem.“

Zumal auch verfassungsrechtlich trotz Überarbeitung noch immer nicht alle Fragen geklärt sind, wie ein weiteres Experten-Kurzgutachten zu Lauterbachs neuem Eckpunktepapier nahelegt.

Artikel 1 von 11