Die erste Präsidentin für Bayerns Prüfer

von Redaktion

Chefwechsel beim unbequemen Obersten Rechnungshof: Piwernetz soll Ausgaben überwachen

München – Man glaubt es ja kaum, aber in Bayern gibt es eine Behörde, deren ehrwürdigste Aufgabe es ist, dem Ministerpräsidenten auf die Finger zu schauen und zu hauen. Ebenso allen anderen Behörden und Staatsbeteiligungen. Der Oberste Rechnungshof (ORH) hat diese außergewöhnliche Aufgabe, ist dafür mit weitreichenden Kontrollrechten ausgestattet. Umso spannender ist die Frage, wer diese unbequeme Super-Behörde leiten darf. Bald steht ein Chefwechsel an.

Ende August wird ORH-Präsident Christoph Hillenbrand (dann 66) nach über sieben Dienstjahren in den Ruhestand gehen. Nach Informationen unserer Zeitung bekommt der ORH zum ersten Mal seit schlappen 212 Jahren eine Präsidentin. Die Juristin Heidrun Piwernetz (60), Regierungspräsidentin in Oberfranken, übernimmt das Amt ab September. Am 4. Juli steht die Wahl im Landtag an. Sie hat bereits begonnen, sich hinter den Kulissen bei Abgeordneten vorzustellen.

Ein Präsident wird vom Landtag auf zwölf Jahre gewählt, vom Ministerpräsidenten ernannt, amtiert bis zur Altersgrenze, ist strikt weisungsunabhängig und kann nur bei extremen Verfehlungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit amtsenthoben werden.

Das soll die maximale Unabhängigkeit des ORH sichern. Bisher sind es ja stets Karrierebeamte aus der Ministerialbürokratie, gestählt in der Staatskanzlei und im Büro des Innenministers, die später ORH-Präsidenten werden; auch Piwernetz leitete in den 90ern das Büro von Günther Beckstein und machte in der Pressestelle der Staatskanzlei Regierungs-PR. Mit Start beim ORH schlüpfen sie in eine ganz andere Rolle: jene Bürokratie, deren Teil sie über Jahrzehnte waren, unnachgiebig zu kontrollieren.

Bisher hat sich das bewährt; das verrät auch etwas über das Selbstverständnis des bayerischen Beamtentums. Gefällig oder CSU-gefügig war der ORH nie. Jedes Jahr kritisiert der Rechnungshof die Regierung öffentlich für ihren Haushalt, mal für Details, mal für eine zu ausgabefreundliche Grundlinie. In vielen Fragen gibt es Ratschläge. Hinzu kommen gefürchtete Einzelprüfungen. Oft fliegen kuriose Steuerverschwendungen auf. Im Jahresbericht heuer zum Beispiel die Kreisverkehr-Bauwut in vielen Orten oder ein überteuertes und fehlgeleitetes Radl-Kaufprogramm des Umweltministeriums. Heikel waren in früheren Jahren auch schon die Prüfungen des Landtagsamts (Abgeordnetenaffäre!), der Landtagsfraktionen und regelmäßig des Bayerischen Rundfunks.

Eine Staatsregierung, die stets vorrechnet, alles besser zu machen als andere Länder, empfindet solche Kritik mitunter als Majestätsbeleidigung. Ob Horst Seehofer wirklich „Dipferlscheißer“ über den ORH gesagt hat, ist unbewiesen. Dass wütende CSU-Abgeordnete 2011 drohten, den ORH aus der edlen Münchner Kaulbachstraße nach Wunsiedel zu verlagern, ist Fakt. „Wir suchen den Konflikt nicht, aber wir gehen auch keinem aus dem Weg“, sagte Ex-Präsident Heinz Fischer-Heidlberger mal.

Piwernetz’ Weggefährten geloben, das bleibe so. Im Landtag deutet sich breite Zustimmung an. „Recht unprätentiös“, heißt es aus der CSU anerkennend über die Kandidatin. Die Grünen, bei denen sie sich im Juni vorstellen wird, loben die Berufung einer Frau. Jetzt gelte es, dass sie „mit viel Engagement gegen die Verschwendung von Steuergeld vorgeht“, sagt der Haushaltspolitiker Tim Pargent und nennt „teure Wahlgeschenke von Söder“. Darauf solle Piwernetz besonders achten, mahnt er.

Immerhin: Die gebürtige Oberfränkin würde auch ein Dienstort Wunsiedel nicht schrecken. C. DEUTSCHLÄNDER

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