Historische Panne bei der SPÖ: Falscher Chef verkündet

von Redaktion

Nach 48 Stunden ist Doskozil den Vorsitz wieder los – Kommunalpolitiker Babler wird Kanzlerkandidat

Wien/München – Der Nicht-Chef tritt vor die Kamera und ringt um Fassung. Hans Peter Doskozil rudert mit der linken Hand in der Luft, sucht Worte. „Wir sind in einer sehr, sehr schwierigen Stunde“, sagt er mit seiner heiseren Stimme. „Es wird genug Häme geben. Das müssen wir uns gefallen lassen.“ Aber: „Das ist das Ergebnis.“ Man werde „nicht daran rütteln“.

Was für ein Moment: Österreichs Sozialdemokratie erlebt eine der kuriosesten und schlimmsten Pannen ihrer bunten Geschichte. Am Wochenende hat ein Parteitag in einer sehr knappen Kampfabstimmung einen neuen Vorsitzenden gewählt, der Burgenländer Landeshauptmann Doskozil wurde zum Sieger ausgerufen, der unterlegene Kommunalpolitiker Andreas Babler gratulierte. Aber plötzlich fällt der Partei auf: Hoppala, da haben wir uns verzählt, war doch andersrum.

Halb Europa schüttelt sich vor Lachen seit Montagnachmittag. Erklärbar ist all das nur mühsam. Die SPÖ-Offiziellen versuchen es wie folgt: Die Stimmen seien richtig ausgezählt worden. Der Fehler sei dann geschehen, als das Ergebnis in eine Excel-Tabelle übertragen wurde. Da wurden versehentlich die beiden Spalten vertauscht. Aufgeflogen ist das ohnehin nur, weil es eine Ungereimtheit beim Ergebnis gab, eine Stimme fehlte, deshalb wurden die Unterlagen kontrolliert.

Das Ergebnis des Parteitags also: Doskozil 280 Stimmen, Babler 317. Das widerspricht zwar der Urwahl der Parteimitglieder, bei der Doskozil knapp gewonnen hatte. Die Urwahl war aber formal nicht bindend. Somit muss, so glaubt die unglückselige Wahlkommission, der Parteitag auch nicht wiederholt werden. Auch Doskozil verlangt das nicht. Er wirkt geknickt, kein Wunder, bittet die Partei um Geschlossenheit, drückt Babler aber nicht seine volle Unterstützung aus. Statt dessen kündigt er an, sich aus der Bundespolitik ganz zurückzuziehen. „Es kann nur besser werden“, sagt er über seine Partei.

Für Österreich ist das mehr als eine kleine Posse. Der SPÖ-Chef ist gleichzeitig Kanzlerkandidat bei der Wahl 2024. Dem mit absoluter Mehrheit regierenden Burgenländer Doskozil – hart in der Migrationspolitik, tiefrot in Fragen der Sozialpolitik und des Mindestlohns – war zugetraut worden, die erstarkte FPÖ abzufangen.

Nun ist das der Job eines Neulings auf Bundesebene. Babler, Vertreter des linken Flügels und früher in der „Sozialistischen Jugend“ aktiv, ist bisher Bürgermeister in Traiskirchen. Der 50-Jährige beschreibt sich als „Marxist“. Er eckt an mit seinen Positionen, auch mit populistischen Auftritten. In den vergangenen Wochen tauchte in Österreich ein Babler-Video aus dem Jahr 2020 aus, in dem er die EU das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat“, nannte. Sie sei „schlimmer als die Nato“. Er musste dann klarstellen, dass er nicht für den EU-Austritt ist, sondern für eine Reform.

Babler tritt am frühen Abend nicht triumphal auf. „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unseres Apparats abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen“, sagt er knapp. Man müsse der SPÖ nun „Stolz und Würde zurückgeben“.

Die SPÖ steht nun in einem Scherbenhaufen, jede Bewegung knirscht. Das wunderschöne österreichische Wort „Pallawatsch“ (Durcheinander) verbreitet ein ORF-Moderator. Oder, wie Altkanzler Christian Kern nach dem Fiasko twittert: Das sei alles „eine eindrückliche Bestätigung, dass man es in der Politik nicht so dumm denken kann, wie es hinterher kommt“.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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