Die Deutschen wertschätzen ihre Bundeswehr enorm. Also exakt dann, wenn sie in Flutkatastrophen Sandsäcke stapelt und bei Pandemien in Altenheimen putzt, aber doch bitte keinesfalls Schießen übt, in Uniformen in der Öffentlichkeit steht, irgendwo ein Gelöbnis abzuhalten oder eine Schule zu besuchen wagt. Das ist scheinheilig, ganz klar. Wir sind nicht das einzige Land, das sich eine Form von Doppelmoral im Umgang mit dem Militär leistet – man denke an die USA, wo aktive Soldaten glorifiziert werden, während Veteranen obdachlos unter der Brücke verkümmern. Dennoch müssen wir Deutschen in Krisenzeiten in Europa unsere Einstellung zur Landesverteidigung überdenken.
Die Großübung „Air Defender“ ab Montag ist ein Anlass, der dem Land die Zeitenwende vor Augen führt. Zum größten Luftwaffen-Manöver der Nato-Geschichte kommen 25 Nationen, 250 Flugzeuge, 10 000 Soldaten. Es wird vereinzelt Lärm geben, Verspätungen, Militärpräsenz, dazu Millionenkosten. Ohne alle Details gutzuheißen – im Grundsatz rechtfertigt die Weltlage seit der russischen Ukraine-Invasion leider ein solches Übungsszenario. „Air Defender“ ist ein Test für die in Teilen angerostete Bundeswehr mit ihren Partner-Nationen. Und für die Bevölkerung, wie weit der Ernst der Lage konkret akzeptiert wird.
Christian.Deutschlaender@ovb.net