Neue Asylpolitik der EU

Ein Signal an die Welt

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Erleben die Grünen jetzt ihren Hartz-IV-Moment? Vor 20 Jahre stürzte Bundeskanzler Gerhard Schröder die SPD mit seinem radikalen Schwenk in der Sozialpolitik in eine Sinneskrise, an der die Partei viele, viele Jahre zu knabbern hatte. Heute ist es der Realo-Teil in der Grünen-Spitze, der seiner Partei in der Asylpolitik einen Realitätsschock verpasst. Damals wie heute ist die Neuausrichtung angesichts der Umstände völlig richtig. Aber auch diesmal führt es eine Partei in die Zerreißprobe. Der schon überwunden geglaubte Konflikt zwischen Fundis und Realos bricht jedenfalls wieder offen auf.

Doch die Wahrheit lautet: Für die reine Grünen-Lehre gibt es in Europa weit und breit keine Mehrheit. SPD-Innenministerin Nancy Faeser konnte nicht mal die Sonderbehandlung von Familien und Kindern an den Außengrenzen durchsetzen. Und das liegt keineswegs nur an den vielen konservativen und rechten Regierungen. Vielmehr ist es der Krieg in der Ukraine, der nicht nur für Verteidigungs- und Energiepolitik, sondern auch die Asylpolitik eine Zeitwende bedeutet. Wo plötzlich Millionen innereuropäische Flüchtlinge unterwegs sind, muss der Kontinent seine Kräfte einteilen. Auch grüne Kommunalpolitiker klagen seit Monaten, dass man schlicht nicht alle unterbringen, beschulen und versorgen kann.

Natürlich stellen sich auch nach diesem Deal noch zahlreiche Fragen. Wie effektiv wird die Asylprüfung? Wie stellt man sicher, dass Schutzsuchende menschengerecht untergebracht werden? Aber wichtig bleibt das Signal: Europa will das Chaos (und das Sterben) auf Mittelmeer oder Balkanroute überwinden. Gleichzeitig werden jene abgeschreckt, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Beides ist notwendig. Dass es wie 2003 eine linke Bundesregierung ist, die das vorantreibt, gehört zur Ironie der Geschichte. Innenministerin Faeser hat jedenfalls vieles von dem erreicht, woran Vorgänger Horst Seehofer krachend gescheitert ist.

Mike.Schier@ovb.net

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