Was haben die EU-Innenminister beschlossen?
Wer aus einem Staat einreist, der als relativ sicher gilt, soll künftig in eine streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtung kommen. Dort soll dann im Idealfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat – wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Wer legt fest, was ein relativ sicherer Staat ist?
Entscheidend ist die Anerkennungs-Quote der Asylanträge. Liegt sie unter 20 Prozent, kann das Asylverfahren in Lagern direkt an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden. Dort, unter haftähnlichen Bedingungen, wird also nur ein kleiner Teil der Asylverfahren durchgeführt: Unter den zehn zentralen Herkunftsstaaten liegen nur drei unter der 20-Prozent-Anerkennungsmarke: die Türkei (15,1 Prozent), Georgien (0,5) und Russland (7,8). Aus diesen drei Staaten gab es laut Bundesamt für Migration zwischen Januar und Mai dieses Jahres 23 481 Asyl-Erstanträge. Alle anderen 102 085 Asylbewerber, die aus Staaten mit hohen Anerkennungsquoten wie Syrien oder Afghanistan kommen, dürften auch nach der Neuregelung auf ein Asylverfahren in Deutschland hoffen. Vor allem Italien würde jedoch von der Neuregelung profitieren: Laut UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR wurden dort in diesem Jahr bereits mehr als 50 000 Migranten registriert. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch, allesamt Staaten, die eine Anerkennungsquote unter 20 Prozent haben.
Wie soll besonders stark belasteten EU-Staaten geholfen werden?
Es soll künftig einen nicht nur freiwilligen, sondern verpflichtenden Solidaritätsmechanismus geben. Pro Jahr sollen so 30 000 Menschen aus besonders stark belasteten EU-Ländern auf andere EU-Staaten umgesiedelt werden können. Staaten, die keine Migranten aufnehmen wollen, können stattdessen Ausgleichszahlungen in Höhe von 20 000 Euro pro abgelehnter Person leisten. Polen, Ungarn, Malta, die Slowakei und Bulgarien lehnen diesen Solidaritätsmechanismus jedoch weiter ab.
Was haben die EU-Innenminister noch beschlossen?
Die Überwachung und Abschiebung abgelehnter Asylsuchender soll erleichtert werden, zum Beispiel, indem mehr Daten über sie gesammelt und zentral gespeichert werden.
Was ist mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine?
Menschen aus der Ukraine genießen in der EU wegen einer Sonderregelung vorübergehenden Schutz, ohne dass sie Asyl beantragen müssen.
Werden durch die Reform weniger Asylsuchende nach Deutschland kommen?
Das ist noch schwer zu sagen. Deutschland müsste vermutlich über den Solidaritätsmechanismus einige tausend Menschen pro Jahr aus den Außengrenzstaaten aufnehmen. Zugleich könnten viel weniger Menschen auf illegalem Weg kommen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, „dass etwa 80 Prozent derjenigen, die in Deutschland Asyl beantragen, nirgendwo vorher registriert worden sind“. Das soll sich durch die Erfassung aller Migranten an den EU-Außengrenzen ändern. Außerdem würde Deutschland profitieren, wenn – was diskutiert wird – die Rückführungen in die Herkunftsländer vereinfacht werden. kr, afp, kna