Asyl: Druck auf Faeser von allen Seiten

von Redaktion

VON MIKE SCHIER UND MARCUS MÄCKLER

München – Manfred Weber ist guter Dinge. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion blickt mit Freude auf die Entwicklungen der letzten Tage. Die Idee, Asylverfahren schon an den Außengrenzen der EU abzuwickeln, war einst in der CSU geboren worden. Einen Flüchtlingspakt mit Tunesien zu schließen, hatte er zu Jahresbeginn gefordert. Seit der vergangenen Woche ist beides auf dem Weg. Jetzt pocht Weber darauf, dass es fix vorangeht.

„Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat bald, womöglich schon diese Woche, beginnen“, sagt der Niederbayer im Gespräch mit unserer Zeitung. Die schwedische Ratspräsidentschaft habe sehr gute Arbeit geleistet, sie könne jetzt noch den Grundstein für Gespräche legen. Das Problem: In der zweiten Jahreshälfte übernimmt Spanien, das ungeplant ein neues Parlament wählt. Ein Regierungswechsel ist wahrscheinlich, womöglich bringt das die Umsetzung erst mal ins Stocken. Deshalb ist Weber vorsichtig: „Es wäre sehr gut, wenn wir bis Ende des Jahres ein Ergebnis hätten.“

Die Frage ist, wie dieses Ergebnis am Ende aussehen wird. Innenministerin Nancy Faeser hatte am Wochenende erklärt, Berlin werde noch mal versuchen, Familien mit Kindern die Asylverfahren in Lagern an den Außengrenzen zu ersparen. Weber glaubt nicht an einen Erfolg: Das endgültige Ergebnis dürfte „sehr nah“ am jetzigen Vorschlag des Rates liegen. „Es ist jedenfalls illusorisch, wenn die Grünen meinen, man könnte jetzt alles noch mal auf den Kopf stellen. Die Sozialdemokraten und Liberalen können es sich schlicht nicht leisten, im Parlament für ein Scheitern verantwortlich zu sein. Ich erwarte von Nancy Faeser, dass sie da mit ihren Leuten im Parlament ein deutliches Wort redet.“

Die Grünen aber haben diese Illusion keineswegs aufgegeben. Zumindest jener Teil der Partei, der mit dem Ergebnis hadert. „Es war ein Fehler, dass Nancy Faeser nicht weiterverhandelt und mehr rausgeholt hat“, sagt die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer unserer Zeitung. Dass Kindern die Unterbringung in Lagern drohe, „ist eine klare Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention“. Außerdem fehle ein verpflichtender Verteilmechanismus. Darum werde sich für die deutschen Kommunen die Lage nicht bessern. „Es ist hochgefährlich, Erwartungen zu wecken, die am Ende nicht erfüllt werden können.“

Dass erst die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und dann der Parteivorstand den Kompromiss billigten, löste Ende letzter Woche in Teilen der Partei Entsetzen aus. Manche aus dem linken Flügel sprachen von „Verrat“ und einer „Schande“; in einer Schalte machten Abgeordnete der Außenministerin schwere Vorwürfe. Schäfer sieht die Schuld nun aber vor allem bei der SPD. „Nancy Faeser versucht Fortschritte darzustellen, die es aber faktisch nicht gibt. Weder für die Menschenrechtslage, noch für unsere Kommunen.“

Eine großzügige Asyl-Politik ist Teil der grünen DNA –deshalb hadern viele. Auch Parteichefin Ricarda Lang macht am Montag noch mal klar, dass sie den Kompromiss für falsch, die Zustimmung für einen Fehler hält. Andere sehen es pragmatischer. „Natürlich begeistert die Einigung bei uns niemanden“, sagt der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek. In München gebe es deswegen einzelne Austritte. Aber es habe eine „europäische Verantwortung“ gegeben, den Knoten in der Asyl-Frage zu durchschlagen. Die reine grüne Lehre sei im Moment einfach „nicht mehrheitsfähig“.

Die Grünen hoffen auf zentrale Nachbesserungen im EU-Verfahren, dem sogenannten Trilog. Und kurzfristig, dass der interne Zorn sich legt. Lang will beim kleinen Parteitag am Samstag zu einer gemeinsamen Position finden. Ex-Parteichef Jürgen Trittin fordert indes im „Stern“ einen klärenden Sonderparteitag. Janecek wiederum findet das spalterisch. Nach baldigem Partei-Frieden klingt das eher nicht.

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