VON GEORG ANASTASIADIS
Rezession? Inflation? Krieg? Für die Aktienmärkte ist all das kein Thema mehr: Der deutsche Aktienindex Dax notiert nach seinem 27-%-Absturz im Jahr 2022 schon wieder direkt unter seinen historischen Höchstständen, und auch in den USA hat die Fantasie um die Künstliche Intelligenz ein riesiges Börsenfeuerwerk entfacht. Der technologielastige US-Nasdaq-Index hat seit Jahresbeginn 40 Prozent zugelegt. Analysten sprechen von der „meistgehassten Rallye“ aller Zeiten – kein Wunder, hatten die großen Investmenthäuser doch Investoren aufgrund globaler Risiken fast unisono dringend zum Ausstieg geraten, viele Anleger haben deshalb die Party verpasst.
Doch der Absturz ins Bodenlose ist ausgeblieben. Stattdessen klettern die Kurse entlang der sprichwörtlichen „Wall of Worries“ (Mauer aus Sorgen) kontinuierlich nach oben. Ein Börsenwunder? Keineswegs: Aktien sollte man gerade dann kaufen, wenn keiner sie haben will. Drei Mal hat unsere Zeitung an dieser Stelle zum Einstieg geraten, 2022 und im Frühjahr 2023, besonders mit Blick auf die in der Baisse billig gewordenen Technologieaktien. Die Börse belohnt niemals die Verzagten, sondern immer die Mutigen.
Wie weit die Rallye ab jetzt noch trägt, ist ungewiss. Die Kurserholung ist weit vorangeschritten, auch wenn es immer noch preiswerte Nachzügler wie etwa den Chipriesen Intel gibt. Weitere Risiken bleiben – so könnte sich der Liquiditätsentzug durch die zurückliegenden Zinserhöhungen im zweiten Halbjahr doch noch negativ bemerkbar machen. Doch lässt der Gegenwind von den Notenbanken ab jetzt spürbar nach: Die US-Fed wird morgen das Ende ihres Zinsanhebungszyklus einläuten, und auch von der EZB ist angesichts der schwachen Konjunktur und des nachlassenden Preisdrucks nur ein Mini-Zinsschritt nach oben zu erwarten. Das hilft Aktien, die mit Anleihen um das Geld von Anlegern konkurrieren. Es bleibt dabei: Wer der Inflation ein Schnippchen schlagen will, kommt am Wagnis Aktie nicht vorbei.
Georg.Anastasiadis@ovb.net