Die lange Wunschliste der Länder

von Redaktion

Kanzler-Treffen mit Ministerpräsidenten: Lob für Asyl-Reform – Diskussion über Flüchtlingskosten

München – Die Ministerpräsidentenkonferenz beginnt diesmal schon einen Tag früher. Nun ja, inoffiziell zumindest. Winfried Kretschmann, Regierungschef in Baden-Württemberg, hat bei Markus Lanz am Mittwochabend die ganz große Bühne. Es geht um die zentralen Themen dieser Tage, die Flüchtlingspolitik oder den Aufstieg der AfD. Und vor Millionenpublikum wird auch die Erdinger Rede von Hubert Aiwanger besprochen.

Kretschmann fährt seinen grünen Parteifreunden in Bayern dabei ordentlich in die Parade. Im Freistaat hat die Ökopartei Aiwangers Populismus als Wahlkampfthema entdeckt. Kurz bevor Kretschmann im Fernsehstudio sitzt, kommt es im Landtag zu turbulenten Szenen. Kretschmann dagegen will die Worte des Freien-Wähler-Chefs nicht zu hoch hängen. „Das muss man jetzt nicht hochjazzen“, findet Kretschmann. Da sei viel „Bayernfolklore“ dabei. „Das ist ein anderes Kaliber, der Herr Aiwanger wie jetzt irgendwelche gefährlichen Populisten.“ Der Satz von der schweigenden Mehrheit, die sich die Demokratie zurückholen müsste, sei schlicht unsinnig.

Später spricht Kretschmann über Asylpolitik. Und auch da teilt er nicht die Meinung vieler in seiner Partei. An der Basis hadert man mit dem Kompromiss auf EU-Ebene. Die Einigung sei ein „sehr, sehr guter Anfang“, sagt dagegen der Ministerpräsident, der von seinen Kommunen viele Klagen zu hören bekommt. „Gerade wir in der Praxis wissen, nur Europa kann einigermaßen Ordnung und Klärung in dieses System bringen. Jeder einzelne Nationalstaat ist damit vollkommen überfordert – es sei denn, er wirft eine humanitäre Flüchtlingspolitik über Bord.“ Es wäre „unvorstellbar“, wenn Deutschland den Kompromiss gemeinsam mit Polen und Ungarn hätte platzen lassen.

Der Praktiker Kretschmann ist nicht allein. Tags darauf kommen in Berlin die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Dort herrscht betont gute Stimmung. Die Asylpläne der EU-Innenminister stoßen bei den Teilnehmern auf „nahezu einhellige Zustimmung“, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) berichtet.

Doch die Kommunen profitieren nicht unmittelbar von der Reform. „Diesen Sommer und wahrscheinlich auch noch im nächsten Sommer wird es die Entlastungen, die wir dringend brauchen, noch nicht geben“, kündigt der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) an. Die Unterbringung, Kitas, Schulen und Integrationsarbeit werde „weiter sehr sehr stark belastet und an einigen Stellen überlastet sein“, sagt Wüst.

Auch deswegen wurde erneut über die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen diskutiert. Einig war man sich nicht. Der Bund hatte beim Flüchtlingsgipfel bereits eine Milliarde Euro zusätzliche Beteiligung für dieses Jahr zugesagt. Über die konkrete Aufschlüsselung berät aber erst noch eine Arbeitsgruppe – bis November. Für einen Überblick über die Migration haben sich Bund und Länder zumindest darauf geeinigt, alle Ausländerbehörden zu digitalisieren.

Grundsätzlich soll das berüchtigte Deutschlandtempo aufgenommen werden. Etwa bei der Planung von Infrastrukturvorhaben seien „die Dinge über die Jahre und Jahrzehnte aus dem Ruder gelaufen“, sagt Weil. Planungs- und Genehmigungsverfahren laufen „zu langsam, zu umständlich und zu kompliziert“, kritisiert er. Nach der Sommerpause ist extra dafür eine Sondersitzung geplant – da soll der beschlossene Planungsbeschleunigung-Pakt zu Papier gebracht werden. MIKE SCHIER

UND L. HUDELMAIER

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