Selenskyj auf schwieriger Mission

von Redaktion

VON CHRISTIANE OELRICH UND KLAUS RIMPEL

Bern/Moskau – Aus vier Bildschirmen spricht Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag zu den Abgeordneten in Bern. Der Vorschlag, den der ukrainische Präsident per Video-Ansprache vor den beiden Kammern des Schweizer Parlaments unterbreitet: ein „globaler Friedensgipfel“.

Selenskyj spricht dabei von einer eigenen „Friedensformel“, die er vergangenes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen sein Land vorgestellt hatte. „Sie können dort federführend sein, wo Sie Ihre nationale Expertise am besten einsetzen können, um diese Friedensformel zu verwirklichen“, sagt Selenskyj den Abgeordneten. Die Friedensformel beinhaltet unter anderem eine gerechte Bestrafung Russlands, die Wiederherstellung territorialer Integrität sowie Sicherheitsgarantien.

Ausgerechnet in der Schweiz um Unterstützung im Ukraine-Krieg zu werben, ist kein Selbstläufer. Die wuchtigen Holzstühle fast aller Abgeordneten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) blieben am Nachmittag leer. Sie sehen in dem Auftritt Selenskyjs eine Einmischung in die Schweizer Politik. Der Ukraine-Krieg rüttelt zunehmend an dem rund 200 Jahre alten Neutralitäts-Grundpfeiler der Schweiz. Seitdem gibt es in dem Land Debatten darüber, ob es seine Neutralität aufweichen und den Widerstand gegen die Weitergabe von Schweizer Waffen an die Ukraine aufgeben soll.

Selenskyj appelliert unterdessen an die Schweiz, die für sein Land „lebenswichtige“ Weitergabe von Waffen zuzulassen. Sein Land brauche aber Waffen, „um den Frieden wiederherstellen zu können“. Immerhin hat der Nationalrat gerade die Weichen dafür gestellt, dass die Schweiz doch 25 ihrer 96 stillgelegten Leopard-2-Panzer an Deutschland zurückverkaufen kann. Berlin will damit die eigenen deutschen Bestände wiederauffüllen.

Unterdessen wächst in Russland die Kritik an der russischen Kriegsführung. Nachdem nach übereinstimmenden Berichten kremltreuer Telegram-Kanäle in der besetzten ostukrainischen Region Luhansk eine große Zahl russischer Soldaten getötet wurde, schäumen russische Militärblogger wie Dwa Majors: „Wir befinden uns im Krieg mit unserer eigenen Dummheit und Schlamperei, beschmiert von oben mit geschönten Berichten.“

Bei Kremmina ließ demnach ein Kommandeur Soldaten antreten, um sie mit einer „motivierenden Rede“ anzufeuern. Er ließ die große Menschenmenge aber zwei Stunden warten – Kiew nutzte dies, um eine Rakete auf die Soldaten abzufeuern. Wie viele russische Kämpfer dabei starben, ist unbekannt, es soll aber sehr viele Opfer geben. Einige Blogger behaupten, dass es sich bei dem nun heftig kritisierten Kommandeur um dem tschetschenischen General Suchrab Achmedow von der 20. russischen Armee handele.

Die Diskussion in den russischen Sozialen Medien darüber spiegelt auch den zunehmenden Hass zwischen Anhängern des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin, dem tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow und dem russischen Verteidigungsministerium wider. Prigoschin weigert sich nach wie vor, sich dem Befehl des Verteidigungsministeriums zu unterstellen. Der britische Geheimdienst sieht darin eine neue Qualität des inner-russischen Machtkampfs.

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