Wie man bei Fox News über Joe Biden denkt

von Redaktion

In einer Abendshow nennt der rechte Sender den US-Präsidenten „Möchtegern-Diktator“ – alles nur ein Versehen?

München – Bei Fox News ist alles Kulisse, das weiß man spätestens seit diesem Frühjahr. Da gerieten Textnachrichten des inzwischen entlassenen Moderators Tucker Carlson an die Öffentlichkeit und zeigten Erstaunliches: Carlson, der vor der Kamera schamlos für Donald Trump warb und dessen Lüge vom Wahlbetrug verbreitete, konnte den Ex-Präsidenten offenbar überhaupt nicht leiden. „Ich hasse ihn leidenschaftlich“, schrieb er einem Mitarbeiter.

Das war ein erhellender Blick hinter die Fox-Fassade. Ähnliches gab es am Dienstag wieder, ausgerechnet auf Carlsons altem Sendeplatz am Abend. Da blendete der Sender sowohl US-Präsident Joe Biden als auch Trump ein und schrieb dazu: „Möchtegern-Diktator spricht im Weißen Haus, nachdem er seinen politischen Rivalen hat verhaften lassen.“

Dass mit „Möchtegern-Diktator“ der amtierende Präsident gemeint war, ergibt sich aus dem Zusammenhang. Biden sprach an dem Abend im Weißen Haus, die Fox-Berichterstattung drehte sich um die neue Anklage gegen Trump. Das Textbanner soll mehrere Sekunden lang eingeblendet gewesen sein. Eine Fox-Sprecherin sagte: „Die Bildunterschrift wurde sofort entfernt und angesprochen.“

Wie es zu der peinlichen Situation kam, ist unklar. Aber sie passt ganz gut ins Bild. Der Sender stand lange klar an Trumps Seite, ging aber in den letzten zwei Jahren auf Distanz. Dass sich die Trump-Nähe nicht auszahlte, bekam Fox erst im April zu spüren, als es dem Wahlmaschinenhersteller Dominion 787,5 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen musste. Der Sender hatte lange, ganz im Sinne Trumps, behauptet, beim Präsidentschaftsduell Trumps gegen Biden seien Wahlcomputer manipuliert worden.

Der Vorfall vom Mittwoch gibt einen kleinen Hinweis darauf, wie die Emotionen bei dem Sender noch immer liegen: Trump, der Verfolgte – Biden, der Autokrat. Dass sich Moderator Brian Kilmeade in der betreffenden Sendung auch noch versprach und Trump als „Präsidenten der Vereinigten Staaten“ bezeichnete, kam hinzu. In der New York Times hieß es lakonisch, die Bezeichnung „Möchtegern-Diktator“ sei sogar für Fox-Maßstäbe eine „ungewöhnlich starke Wortwahl“.

Das Weiße Haus ging nicht direkt auf die Fox-Panne ein. Sprecherin Karine Jean-Pierre stichelte aber dann doch ein wenig. „Es gibt wahrscheinlich 787 Millionen Dinge, die ich dazu sagen kann“, sagte sie genüsslich in Anspielung auf den schmerzhaften Rekord-Schadenersatz.

Eines ist klar: Die Geschichte zwischen Trump und dem rechten Sender ist noch nicht auserzählt. Zwar setzten die Verantwortlichen lange darauf, Trumps parteiinternen Rivalen Ron DeSantis ins Rampenlicht zu setzen. Doch der Ex-Präsident ist bei den republikanischen Wählern – und damit auch beim Fox-Publikum – wieder extrem beliebt. Und wenn der Sender auf eines achtet, dann darauf, die zahlende Kundschaft bei Laune zu halten. M. MÄCKLER

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