Die Grünen raufen sich zusammen

von Redaktion

Nach leidenschaftlichen Debatten zum Asylstreit stellt sich eine Mehrheit hinter die Parteiführung

Berlin – Die Grünen haben bei einem kleinen Parteitag ihre Marschroute für die weiteren europäischen Verhandlungen zum EU-Asylrecht festgelegt. Eine deutliche Mehrheit der rund 100 Delegierten stellte sich am Samstag beim sogenannten Länderrat in Bad Vilbel hinter einen Antrag des Bundesvorstandes zur Asylpolitik, in den zuvor allerdings zahlreiche Änderungen von Kritikern der Entscheidung der EU-Innenminister integriert worden waren. Beispielsweise sollen Familien mit Kindern grundsätzlich nicht in Asyl-Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen kommen. EU-Staaten sollen nicht zur Durchführung solcher Grenzverfahren verpflichtet werden.

Die Co-Vorsitzende Ricarda Lang sagte im Deutschlandfunk, sie habe eine inhaltlich zerrissene, aber keine gespaltene Partei erlebt. „Wir merken natürlich an verschiedenen Stellen, dass es weder in der Bundesregierung, geschweige in Europa, gerade wirkliche Mehrheiten für eine humane Flüchtlingspolitik gibt“, sagte sie. Wichtig sei, dass die Partei nun gemeinsam dafür kämpfe.

Die EU-Innenminister hatten mit deutscher Zustimmung – auch mit Genehmigung von Spitzen-Grünen – Pläne für eine weitreichende Asylreform beschlossen. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um irreguläre Migration zu begrenzen – insbesondere aus Ländern, die als relativ sicher gelten.

„Wir wollen ein effektives Menschenrechtsmonitoring an den Außengrenzen und eine verbindliche Verteilung in den Mitgliedsstaaten“, heißt es in dem Beschluss des Länderrats. „Dafür werden wir in enger Abstimmung zwischen Europafraktion, Bundestagsfraktion, Bundespartei und Regierungsmitgliedern kämpfen. Auch das Ergebnis werden wir gemeinsam bewerten.“ Wie man sich am Ende positioniere, werde davon abhängen, „ob unter dem Strich Verbesserungen in der Europäischen Asylpolitik und auch für Europa stehen“.

Weiter heißt es: „Der Ratsbeschluss wäre ohne unseren Einsatz, gerade von grünen Regierungsmitgliedern, ein schlechterer gewesen. Doch er enthält auch substanzielle Verschärfungen, die wir aus asylpolitischer Sicht falsch finden.“

Ein weitergehender Antrag der Grünen Jugend, der eine finale deutsche Zustimmung von „substanziellen Verbesserungen“ für Betroffene abhängig gemacht hätte, fand keine Mehrheit. Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Timon Dzienus, sah sich aber in seinen Zielen bestätigt und sprach von einem Startpunkt für die weitere europäische Auseinandersetzung. Er sagte der Funke Mediengruppe: „Wir erwarten von der Partei, klarzumachen, sich Asylrechtsverschärfungen entgegenzustellen.“

Die Delegierten diskutierten intensiv, aber ohne persönliche Angriffe. Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte ihre Zustimmung zu der Entscheidung und versuchte, ihre Abwägungen zu erklären. „Auch mich hat es zerrissen“, sagte sie. Immerhin habe man nun eine Einigung gefunden, die eine bessere Verteilung von Schutzsuchenden in Europa bedeuten würde: „Wir haben im Vergleich zum Status quo eine kleine Verbesserung.“

Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré wandte sich in einer emotionalen, stark bejubelten Rede gegen das Reformvorhaben, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit ihren europäischen Amtskollegen verhandelt hatte. Die Entscheidung, hier zuzustimmen, sei falsch gewesen, sagte sie, „sie schmerzt mich, sie enttäuscht mich“. Um Fassung ringend sagte sie, es gehe hier um Menschen, „Menschen wie meine Familie vor 30 Jahren“. Tourés Eltern waren nach einem Putsch in Mali nach Deutschland geflohen. A. CLASMANN/M. HERZOG

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