VON MARC BEYER
Dass Annalena Baerbock am Ende stehende Ovationen erhalten würde, gehörte vor dem Länderrat der Grünen zu den nicht so wahrscheinlichen Optionen. Fast alles schien möglich in Bad Vilbel, bis hin zu einem Aufstand, dessen Ausläufer die gesamte Koalition hätten erschüttern können. Doch obwohl es um eines ihrer sensibelsten Themen ging, die Asylpolitik, hat die Partei die Kurve noch gekriegt.
Eine Regierungsbeteiligung als kleinerer Partner ist immer auch eine Zeit der Zumutungen. Bei keiner Partei wird die Zerrissenheit, das Wünschenswerte mit dem Machbaren in Einklang zu bringen, so sichtbar wie bei den Grünen. Das Ergebnis von Bad Vilbel kaschiert all die inneren Kämpfe nur mühsam. Der Einsatz für Nachbesserungen in der Asylpolitik ist eine gesichtswahrende Einigung, mehr aber auch nicht. Sie betont die gute Absicht, ohne ein konkretes Ergebnis einzufordern, das auf EU-Ebene ohnehin utopisch wäre.
Für den Moment herrscht damit wieder Ruhe. Erneut ist es gelungen, die lauteren und ungeduldigen Vertreter wie die Grüne Jugend in die Schranken zu weisen, die regelmäßig radikale Positionen vertritt. Es ist aber wie so oft nur ein Friede auf Zeit. Schon wenn es zwischen den EU-Institutionen wieder um das Thema Asyl geht, wird man sich an Bad Vilbel erinnern und die Absichtserklärung, das Ergebnis doch noch etwas grüner zu gestalten – und am Ende gemeinsam zu bewerten. Im Kompromiss von Samstag schlummert schon der nächste Konflikt.
Marc.Beyer@ovb.net