Als gestern US-Außenminister Antony Blinken in Peking eintraf, war dies der Auftakt zum ersten Besuch eines amerikanischen Top-Diplomaten in fünf Jahren. Die Visite war lange überfällig: Selten waren die Beziehungen so angespannt. Peking hat zuletzt mit wachsender Unverfrorenheit Spionageaktivitäten praktiziert wie mit den Ballons, die in den US-Luftraum eindrangen. Hinzu kommen quer durch die USA verteilte illegale chinesische Polizeistationen. Dazu gab es Provokationen im Luftraum und bei US-Marineaktivitäten. Und zu guter Letzt haben wir ja noch Taiwan, das Präsident Joe Biden bei einer chinesischen Intervention militärisch verteidigen will.
Angesichts dieser Vielzahl an Brennpunkten fällt es schwer zu verstehen, wie Blinken eine Annäherung erreichen will. Hauptaufgabe sollte sein, der kommunistischen Diktatur klarzumachen, dass die wiederholten Aktionen nicht länger geduldet werden. „Kommunikation“, wie sie das Weiße Haus in den Vordergrund gestellt hat, ist schön und gut, aber irgendwann muss das Gegenüber auch Einlenken zeigen. Die Geschichte lehrt: Despoten und totalitäre Regime lassen sich nur durch Stärke beeindrucken. Das muss nicht gleich militärischen Aktionismus bedeuten, zumal China die USA als Absatzmarkt braucht. Doch Blinken ist in einer denkbar schlechten Position gereist. Er kam für eine Regierung, die ihn in den Augen Pekings fast schon als Bittsteller erscheinen lässt.
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