Kiew/St. Petersburg – Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat vor einem Scheinfrieden in der Ukraine gewarnt. „Wir wollen alle, dass dieser Krieg endet. Aber damit ein Frieden dauerhaft sein kann, muss er gerecht sein“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Frieden kann nicht bedeuten, den Konflikt einzufrieren und einen Deal zu akzeptieren, der von Russland diktiert wird. Nur die Ukraine allein kann die Bedingungen definieren, die akzeptabel sind.“
Stoltenberg sagte das vor dem Hintergrund einer afrikanischen Friedensmission in Moskau und Kiew. Unter Leitung des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa warben ein halbes Dutzend afrikanische Staaten bei beiden Parteien für eine Friedenslösung. Ramaphosa sagte am Samstag: „Wir sind davon überzeugt, dass für beide Seiten die Zeit gekommen ist, um Verhandlungen aufzunehmen und diesen Krieg zu beenden.“ Putin sprach laut der Nachrichtenagentur Tass von einem „ausbalancierten Ansatz der afrikanischen Freunde in der Ukraine-Krise“. Fortschritte gab es nicht.
Der afrikanischen Delegation gehörten auch Vertreter aus Ägypten, Senegal, Sambia, der Republik Kongo, Uganda und den Komoren an. Ihre Friedensinitiative umfasst nach eigenen Angaben einen Zehn-Punkte-Plan. Viele afrikanische Staaten leiden unter dem Krieg, auch wegen fehlender Getreidelieferungen.
Derweil erleiden nach Einschätzung britischer Geheimdienste beide Seiten auf dem Schlachtfeld hohe Verluste. Das geht aus einem am Sonntag veröffentlichten Bericht des britischen Verteidigungsministeriums hervor. Die russischen Truppen hätten in den vergangenen Tagen wahrscheinlich die schwersten Verluste seit der Schlacht um die Stadt Bachmut im März hinnehmen müssen, hieß es. Eine Schätzung zu den Opferzahlen gab es nicht.
Demnach finden die intensivsten Kämpfe im Oblast Saporischschja, im Westen des Oblasts Donezk und rund um Bachmut statt. „In allen diesen Gebieten ist die Ukraine weiterhin in der Offensive und hat kleine Vorstöße gemacht“, hieß es weiter. Im Süden gelängen Russland hingegen oft relativ erfolgreiche „Defensiveinsätze“. Die russische Seite bestätigte am Sonntag die Einnahme eines Dorfes im Gebiet Saporischschja durch ukrainische Truppen, betonte aber, diese hätten „kolossale Verluste“ erlitten. Prüfen lässt sich das nicht.
Inmitten der Gegenoffensive bedankte sich Selenskyj bei westlichen Partnern für die Militärhilfe. „Deutschland: Danke (…) für die unveränderte Stärke beim Schutz von Leben vor dem russischen Raketenterror“, sagte er in einer Videobotschaft. Zuvor hatte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, in der „Berliner Zeitung“ mehr Unterstützung und einen klaren Weg zur Nato-Mitgliedschaft gefordert. Laut US-Präsident Joe Biden kann die Ukraine nicht auf Vorzugsbehandlung hoffen.
Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gab am Abend bekannt, dass rund 32 000 Ex-Häftlinge wieder auf freiem Fuß sind. Er hatte die Männer, darunter viele Schwerverbrecher, teils selbst für den Krieg gegen die Ukraine angeworben. Sie hätten ihren Vertrag erfüllt, sagte Prigoschin am Sonntag. Teils hatten die verurteilten Schwerverbrecher bereits neue Morde begangen. dpa