Berlin – Für schöne Bilder reicht’s. Als sich der gepanzerte Audi mit Li Qiang dem Schloss Bellevue nähert, wedeln chinesische Zaungäste mit roten Fahnen, mehrere meterlange China-Flaggen werden vom Jubelkommando gehisst. Li winkt durchs dicke Glas. Aber reicht’s auch für schöne Inhalte?
Man wolle Kooperationspotenziale ausschöpfen und die strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern inhaltlich bereichern, ließ Li nach der Landung der zehnköpfigen chinesischen Regierungsdelegation in Berlin mitteilen. „Die heutige Welt befindet sich in einer neuen Phase von Wandel und Chaos“, hieß in einer Erklärung Lis, die von der chinesischen Botschaft verbreitet wurde.
Zum Auftakt des Deutschlandbesuchs wurde Li am Montag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss empfangen, am Abend sollte ein Arbeitsessen mit Kanzler Olaf Scholz folgen. Es ist die erste Auslandsreise des Regierungschefs seit Amtsantritt im März. Seine Delegation wird bis Mittwoch in Berlin bleiben, dann Politik und Firmenvertreter in München besuchen und nach Paris weiterreisen.
Die deutsche Seite hofft auf Resultate. Scholz erwartet nach eigenen Worten ein „ganz wichtiges Arbeitstreffen“. Es sei der richtige Zeitpunkt, und es gebe eine Weltlage, in der es besonderen Sinn mache, sich miteinander auszutauschen, sagte er vor wenigen Tagen. Hauptthema soll der Kampf gegen den Klimawandel und der damit verbundene Umbau der Wirtschaft sein. Es soll aber auch um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gehen, in dem China mit seinem Sondergesandten Li Hui versucht zu vermitteln und auf Verhandlungen dringt.
Die Bundesregierung sieht China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. „Wir sehen, dass dabei die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben“, heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie, die jüngst vom Kabinett beschlossen wurde. Mit Besorgnis wird in Deutschland neben der Einschränkung von Freiheitsrechten und dem Umgang mit Minderheiten in China vor allem das Großmachtstreben des Landes in der Indopazifik-Region gesehen.
Der „Spiegel“ berichtet, die Vorbereitung des Besuchs sei eher konfliktträchtig gewesen. Es werde keine gemeinsame formelle Abschlusserklärung geben. Und unter anderem seien deutsche Konzernchefs sehr nachdrücklich von den Chinesen aufgefordert worden, am Montag zum Mittagessen mit Li zu erscheinen statt zu einem Konkurrenztermin mit Scholz beim Industrieverband BDI. Zudem werde jeder Schritt kritisch von den USA beäugt, die sich von Deutschland Abstand zu China wünschen.
Parallel gibt es einen spannenden Besuch in China: US-Außenminister Antony Blinken wurde nun auch von Staatschef Xi Jinping empfangen, der von „Fortschritten“ durch den Besuch sprach. Dem US-Außenminister zufolge erneuerte China sein Versprechen, keine Waffen an Russland zum Einsatz in der Ukraine zu schicken. Blinken war der ranghöchste US-Vertreter seit fünf Jahren, der nach China reiste.
Experten messen dem Besuch sehr hohen Wert zu. „Es ist ein Riesen-Schritt, denn die schon seit fünf Jahren andauernde Abwesenheit von direkten Gesprächskanälen ist ein Risiko“, sagte Guntram Wolff, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), unserer Zeitung. „Wenn etwa zwei Militärschiffe in einen Unfall verwickelt werden, kann das ohne Gesprächskanal schnell in einer Katastrophe münden. Aber vor allem sind Gespräche wichtig, um einen direkten Krieg der beiden Supermächte in der Taiwan-Frage zu verhindern.“ Blinkens Reise sei „in jedem Fall ein kleines Puzzlestück, solch eine Katastrophe zu verhindern“.
Xi empfängt Blinken in Peking