Kampf um kluge Köpfe

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Das Medium, um jene Fachkräfte anzusprechen, die man nach Deutschland locken will, gibt es schon seit zehn Jahren. „Make it in Germany“ heißt die Plattform, auf der die Bundesregierung qualifiziertes Personal aus dem Ausland umwirbt. In vier Sprachen, mit Anforderungsprofilen, Erklärvideos und Tipps zum leichten Eingewöhnen, von Wohnungssuche bis Kontoeröffnung.

Zehn Jahre, das ist ein langer Weg, trotzdem steht das Land noch ziemlich am Anfang. Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, ist eine zähe Angelegenheit, dabei klagen immer mehr Branchen über grassierenden Personalmangel. Experten beziffern den jährlichen Mehrbedarf auf 400 000. Die Zuwanderung bewegt sich dagegen im fünfstelligen Bereich.

Auch deshalb spricht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) von „historischen Entscheidungen“, wenn der Bundestag am Freitag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (sowie das Gesetz zur Stärkung von Aus- und Weiterbildung) verabschiedet. Für ein Projekt dieser Dimension haben die Ampelparteien, anders als beim Thema Heizen, bemerkenswert geräuschlos gearbeitet. Es ist für jeden etwas dabei. Heil lobt, das Gesetz werde dabei helfen, Migration „vernünftig zu sortieren“: Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und solche aus humanitären Gründen.

Dass es da Klärungsbedarf gibt, weiß er seit der ersten Lesung im Bundestag. Damals warfen Union und AfD der Ampel vor, die Hürden für Einwanderung zu senken und den Zuzug „minderqualifizierter“ Menschen zu befördern. Auch gestern signalisierte die Union Ablehnung.

SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast spricht dagegen von „einem der modernsten Einwanderungsgesetze weltweit“. Wer zum Arbeiten nach Deutschland will, muss seinen heimischen Abschluss nicht mehr hier anerkennen lassen. Diese Prozedur erwies sich in der Vergangenheit oft als zeitraubend und abschreckend. Nun reicht ein Abschluss, der mit einem deutschen vergleichbar ist.

Insgesamt wird alles unbürokratischer. Laut Entwurf sollen Fachkräfte auch außerhalb der ursprünglichen Branche „jede qualifizierte Beschäftigung ausüben“ können. Visa sollen schneller erteilt werden und flexibel gelten. IT-Spezialisten können einen fehlenden Hochschulabschluss durch andere Qualifikationen ersetzen.

Der FDP war vor allem das Punktesystem wichtig, das einzelne Faktoren (Alter, Sprachkenntnisse, Berufsausbildung und -erfahrung, Deutschlandbezug) honoriert. Man ziehe mit klassischen Einwanderungsländern wie Kanada, Australien oder Neuseeland gleich, findet der Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel.

Den Grünen wiederum liegt vor allem der sogenannte Spurwechsel am Herzen. Dieser soll in den Arbeitsmarkt auch dann führen, wenn Menschen keinen Asylstatus besitzen, aber die nötige Qualifikation mitbringen. Die Münchner Abgeordnete Jamila Schäfer hört in ihrem Wahlkreis immer wieder, wie groß der Bedarf ist. Es gebe „ohne Ende unbesetzte Stellen“, heiße es. „Die Unternehmen in Bayern brauchen engagierte junge Leute, die bereit sind, mitanzupacken und Teil unserer Gesellschaft zu werden.“ Ende März, kurz nach dem Stichtag für den Spurwechsel, waren 163 000 Asylverfahren anhängig.

Das ist die wohl markanteste, aber nicht die einzige Änderung im Vergleich zu dem Entwurf, den die Ampel im März in den Bundestag einbrachte. Seitdem hat sie das vorgeschriebene Mindestgehalt auf 3500 Euro gesenkt, um mehr Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber einbeziehen zu können. Auch der Nachzug von Angehörigen wird erleichtert. Neben der „Kernfamilie“ sollen auch die Eltern einer zugewanderten Fachkraft nach Deutschland kommen können. Das soll das Einleben erleichtern und den Standort Deutschland attraktiv machen.

Die Konkurrenz ist schließlich groß. Justizminister Marco Buschmann (FDP) erinnert daran, man befinde sich weltweit in einem „Wettbewerb um die klügsten Köpfe“.

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