Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drängt China zu einer stärkeren Einflussnahme auf Russland, um den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. China habe hier als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats „eine ganz besondere Aufgabe“, sagte Scholz nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen bei einem gemeinsamen Auftritt mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang in Berlin. Er forderte die Regierung in Peking auch auf, weiterhin keine Waffen an Russland zu liefern.
Der chinesische Regierungschef ging nicht auf den Appell des Kanzlers ein. China hat die russische Invasion bis heute nicht verurteilt und gibt Präsident Wladimir Putin Rückendeckung. Stattdessen hob Li darauf ab, wie wichtig ihm der Ausbau der Kooperation mit Deutschland ist. Beide Länder sollten die Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“.
Bei ihrem Treffen vereinbarten beide Regierungen einen verstärkten Austausch in den Bereichen Klimaschutz, Energie, Umwelt und Gesundheit. Es wurden auch mehrere Vereinbarungen von Unternehmen unterzeichnet – allerdings keine Milliarden-Verträge, wie es früher einmal zu solchen Anlässen üblich war.
Die Bundesregierung organisiert Regierungskonsultationen regelmäßig mit besonders engen Partnern oder Ländern, die für sie wirtschaftlich oder strategisch besonders wichtig sind. Mit China waren es die ersten in Präsenz seit 2018. Seitdem haben sich die Beziehungen beider Länder deutlich abgekühlt. Die zunehmende Einschränkung von Freiheitsrechten in China und Hongkong, der Umgang mit Minderheiten, aber vor allem die Invasionsdrohungen gegen Taiwan haben in Berlin größte Besorgnis ausgelöst.
Der Schock des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine führte zudem dazu, dass die Bundesregierung die wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren will. Ein so böses Erwachen wie beim russischen Gas, auf das man sich trotz aller Warnsignale zu lange verließ, will man nicht noch mal erleben.
Scholz erwähnte seine verstärkte Suche nach anderen Wirtschaftspartnern in Asien, Lateinamerika oder Afrika bei seinem Auftritt mit dem chinesischen Regierungschef nicht. Stattdessen versicherte er Li, dass er keine Abkopplung von der chinesischen Wirtschaft plane. Er mahnte aber Verbesserungen beim Zugang zum chinesischen Markt sowie faire Wettbewerbsbedingungen an.
Der Kanzler sprach auch das heikle Menschenrechtsthema an, aber versteckte es im Wirtschaftsteil seiner Ausführungen. „Würdige Produktionsbedingungen und damit verbunden Verbesserungen der Menschenrechtslage sind in unser beider Interesse“, sagt er. China wird unter anderem vorgeworfen, Minderheiten wie die Uiguren als Zwangsarbeiter zu missbrauchen.
Kein Wort verlor Scholz über Taiwan. Was er über Russland und die Ukraine sagte, dürfte aber auch auf das chinesische Großmachtstreben im Indopazifik gemünzt gewesen sein. Kein Land dürfe mit Gewalt versuchen, Grenzen zu verschieben: „Imperialismus ist nie die Lösung.“ Hätte Scholz Taiwan direkt erwähnt, wäre eine Erwiderung Lis unausweichlich gewesen. Vielleicht hat er es deswegen vermieden.
Auch ohne es explizit zu erwähnen, wurde aber deutlich, wie schwierig das Verhältnis geworden ist. Zum Beispiel durch die Tatsache, dass die chinesische Seite bei der Pressebegegnung keine Journalistenfragen zulassen wollte. Die Bundesregierung beugte sich dem Wunsch schließlich.
Auch die EU überdenkt aktuell ihren Umgang mit Peking. Mit einer neuen Strategie will die Europäische Kommission wirtschaftliche und geopolitische Risiken durch China reduzieren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte gestern deutlich, militärisch nutzbare „Spitzentechnologien“ aus Europa dürften nicht über China nach Russland gelangen. Dafür setzt Brüssel unter anderem auf die verschärfte Prüfung von Auslandsinvestitionen.