Heftiger Richtungsstreit in der CDU

Den „Kulturkampf“ hat nicht die Union begonnen

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Das Spiel geht so: Wenn Grüne und SPD ein „Selbstbestimmungsgesetz“ ersinnen, das es den Bürgern erlaubt, einmal pro Jahr ihr Geschlecht zu wechseln, ist das gesellschaftliche Erneuerung. Das gleiche gilt, wenn die Bannerträger des Fortschritts im öffentlich-rechtlichen TV aus Müttern „gebärende Personen“ machen oder gendern, dass sich den Zuschauern die Ohrmuscheln biegen. Wenn aber Politiker von CDU und CSU eben diesen Gendersprech anprangern, ist es verdammenswerter Populismus, oder, die neue Lieblingswaffe woker Sprachpolizisten, rechter „Kulturkampf“. Von Claudia Pechstein in Uniform bis zur Unterstellung einer geistigen Nähe zu Björn Höcke ist es dann nur noch ein semantischer Katzensprung.

In Wahrheit ist es Teil eines linken Kulturkampfs, Liberale und Konservative politisch in die Defensive zu drängen, indem man ihnen den Sprachraum verstellt und die Grenzen des Sagbaren immer enger zieht. Die Strategie funktioniert so verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk – auch dank der Kollaboration des in der CDU noch immer mächtigen Merkel-Lagers, das die Ex-Kanzlerin trotz deren politischen Fehlentscheidungen mit Orden überhäuft und nicht lassen will von der „asymmetrischen Demobilisierung“. Diese setzt darauf, den Streit über polarisierende Themen wie das Gendern, die Identitätspolitik und die Migration zu umgehen, um die Gegner nicht zu mobilisieren. Nach dieser Lesart sind bereits die „kleinen Paschas“ von CDU-Chef Friedrich Merz Ausdruck eines unerträglichen Populismus. So ähnlich konnte es die Partei kürzlich in einem Beitrag von NRW-Landeschef Hendrik Wüst in der „FAZ“ nachlesen. Seither tobt der Kulturkampf – und zwar in der Union selbst. Zu den blutigen Clan-Krawallen in seinem Bundesland äußerte sich Wüst nach einer langen Schrecksekunde erst gestern.

Leider hat, das verschweigen die Merkel-Leute, das Umkurven der großen gesellschaftlichen Debatten eine gefährliche Schwachstelle: Wenn CDU und CSU davor zurückscheuen, ruhig im Ton, aber klar in der Sache Themen zu besprechen, die den Menschen auf den Nägeln brennen, treiben sie die Wähler in die offenen Arme der AfD.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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