Eine abgelegene Bucht im Südwesten von Zypern soll es gewesen sein, wo die Göttin der Liebe „schaumgeboren“ aus den Fluten des Mittelmeeres stieg. Am besten stellen wir sie uns vor wie auf dem Bild von Botticelli: eine perfekte Schönheit, die aus einer Muschel hervortritt.
Die Göttin, bei den Römern Venus genannt, hat das Lächeln zwischen zwei Menschen in die Welt gebracht. Das bleibt lebendig durch alle Zeiten, nicht nur in überseligen Sommernächten. Mit der Johannisnacht in dieser Woche hat unser Sommer seinen Höhepunkt schon wieder überschritten. Aber die Göttin der Schönheit kennt keinen Herbst. Zeitlos übt sie ihre Macht über Götter und Menschen aus. Sie entflammt Liebe und weiß Widerstrebende zu strafen. Als Stifterin des Liebesbundes ist sie auch die Gottheit der Ehe, des Familienlebens und der darauf beruhenden Verbindungen.
Sie galt als Gattin des Kriegsgottes Ares, aber verliebte sich einmal völlig unstandesgemäß in einen Sterblichen, den kleinen trojanischen Hirten Anchises. Und wie es so geht, wenn Götter lieben, brauchte sie keine großen Worte. Sie blickte den jungen Mann an und dann legte sie sich neben ihn ins Gras. Sie verführte den Anchises, er wusste nicht wer sie war und sie schliefen miteinander.
Sie wurde schwanger, gab sich ihm zu erkennen und sagte zu ihm: „Du brauchst keine Angst zu haben, Anchises, ich werde nicht zulassen, dass Dir jemand etwas tut. Voraussetzung ist allerdings, dass Du unser kleines Techtelmechtel verschweigst.“
Aber ja, sagte Anchises leichthin. In seinen Gedanken sah er sich freilich schon umringt von den Burschen der Stadt, wie sie ihn beneiden – ihn, den Liebhaber der Göttin. Und so ging einige Zeit alles gut. Einmal aber, bei einem Gelage, wo die Kameraden angaben mit ihren Liebeserlebnissen, wurde unser Anchises schwach und sagte: „Ja, was wisst Ihr denn schon mit Euren Mädchengeschichten? Ich aber weiß, was Liebe ist. Denn ich habe mit Aphrodite geschlafen, der Göttin der Liebe selbst, und sie hat einen Sohn von mir.“
Da bat dann Aphrodite den Zeus, er möge dem Anchises nun doch einen Denkzettel verpassen. Zeus schickte einen kleinen Blitz, einen Miniblitz, aber der reichte immerhin aus, dass Anchises gelähmt war von diesem Tag an.
Ein Lügner war Anchises, der Vater des Aeneas, also nicht, nur ein Aufschneider, der das Liebesgeheimnis nicht für sich behalten konnte. Das aber bleibt doch der größte Fehltritt in Liebesdingen bis heute. So ist der Mythos von Aphrodite und Anchises beides zugleich: unendlich fern und nah in der Gegenwart.
Aphrodite musste diesen Treulosen strafen. Ihrem Sohn Aeneas aber blieb sie Schutzgöttin auf seiner Flucht aus dem brennenden Troja nach Karthago. Sie bewirkte, dass die dortige Königin Dido sich unsterblich in den geschundenen Flüchtling verliebte. Aeneas aber zog weiter nach Latium und wurde der Stammvater Roms.
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