Griechen-Premier vor Wahltriumph

von Redaktion

VON ALEXIA ANGELOPOULOU UND TAKIS TSAFOS

Athen – Das griechische Wort „Autokratie“ erlebt derzeit eine Renaissance. Linke in Griechenland und europaweit beschwören es vor den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag. Es beschreibt „die unumschränkte Staatsgewalt in der Hand eines einzelnen Herrschers“, in diesem Fall des bisherigen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis. Und es ist ein Unwort gerade in jenem Land, das sich bis heute dafür rühmt, vor 2500 Jahren die Demokratie erfunden zu haben. Was ist also dran an der vermeintlich drohenden Autokratie?

Nach einer ersten Amtszeit ab 2019 hatten Mitsotakis und seine konservative Partei Nea Dimokratia (ND) bei den Parlamentswahlen vor fünf Wochen 41 Prozent erzielt. Allerdings kam keine Koalition zustande – die Konservativen wollten nicht, die Linken konnten nicht. Nun wählen die Griechen wieder, und die alleinige Macht von Mitsotakis ist sehr wahrscheinlich.

„Wählt uns, damit wir gegen ein zügelloses Mitsotakis-Regime kämpfen können!“, appelliert Alexis Tsipras, Chef der Linkspartei und stärksten Oppositionskraft Syriza. Mitsotakis strebe eine „schwächelnde, kranke, instabile Demokratie“ vom Typ des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán an.

In Deutschland sahen es manche Beobachter ähnlich. Unter Mitsotakis sei Griechenland auf dem Weg in die Autokratie, war in Medien zu lesen. Sein Stil sei eine neue Form eines geräuschlosen Populismus. Angesichts des verheerenden Bootsunglücks mit hunderten toten Migranten wurde ihm gar Erfahrung im Leugnen von Vorwürfen und Mitschuld an dem Unglück zugeschrieben.

Tatsächlich ist die zurückliegende Amtszeit der Konservativen nicht nur von Ruhm gekrönt. So ließ sich Mitsotakis den Geheimdienst (EYP) direkt unterstellen. Koordinator wurde ein Neffe des Premiers. Später folgte ein handfester Skandal, weil der Geheimdienst nicht nur Journalisten und Oppositionspolitiker, sondern sogar den eigenen Generalstabschef abhören ließ. Mitsotakis gab an, davon nichts gewusst zu haben, feuerte seinen Neffen und verweist auf die Aufarbeitung durch die Justiz.

Selbst das tat dem Erfolg der Konservativen keinen Abbruch – genauso wenig wie der Vorwurf von Tsipras, Mitsotakis sei an dem schweren Zugunglück mit 57 Toten im Februar in Mittelgriechenland schuld. Umfragen sagen der Nea Dimokratia erneut über 40 Prozent voraus. Das würde wegen einer Besonderheit im Wahlrecht für die absolute Mehrheit reichen, denn jetzt werden der stärksten Partei mindestens 20 Sitze im 300-köpfigen Parlament zugeschlagen.

Griechische Beobachter indes sagen: Dass Tsipras und seine Syriza bei den Wahlen zuletzt krachend scheiterten – die Partei sackte um elf Punkte auf 20 Prozent – hätten sie sich selbst zuzuschreiben. Sich und einem „toxischen Wahlkampf“, weil Tsipras kaum Programm bot, dafür aber ständig auf die Regierung eindrosch. Viele Wahlversprechen von Syriza, etwa höhere Renten und Mindestlöhne, hatten die Konservativen schon vor den Wahlen in die Realität umgesetzt. Weitere monetäre Anreize der Linken wurden von den Wählern misstrauisch beäugt.

Der wesentliche Grund aber, warum viele Griechen Mitsotakis wählen, ist der Erfolg der Regierung in den vergangenen Jahren, der weitaus größer ist, als das Dauerfeuer der Opposition Glauben machen will. Mitsotakis brachte das Land wirtschaftlich, sozial und außenpolitisch enorm voran. Die Arbeitslosigkeit sank von rund 19 auf aktuell gut elf Prozent. Der Staat wurde massiv entbürokratisiert und digitalisiert, sogar der einstige Papierkrieg zum Verkauf einer Immobilie oder auch eine Scheidung. Gleichzeitig senkte die Regierung die Unternehmenssteuern. In der Folge entdeckten internationale Firmen wie Microsoft, Google und Pfizer das Land.

Auch dass die Regierung mit harten Grenzkontrollen durchgriff und die Flüchtlingszahlen senkte, wird Mitsotakis bei vielen Wählern hoch angerechnet.

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