Auch Deutsche kämpfen Putins Krieg

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

München – Jewgeni Prigoschin lehnt auf einem Holztisch. Statt Kampfausrüstung trägt er ein Kurzarm-Shirt und eine Lesebrille. Ein Söldner-Chef bei der Büroarbeit. „Bezüglich einer Anstellung bei der Wagner PMC haben wir verschiedene Möglichkeiten“, erklärt der Chef der russischen Privatarmee und fügt nüchtern hinzu: „Wenn er einen Panzer über tote Körper von Ukrainern fahren kann, dann ist er ein Panzersoldat.“

Das Video von Anfang April zeigt den Wagner-Chef, wie er für seine Privatarmee Kämpfer anwirbt – am Telefon. Unter den bereits Rekrutierten sind auch Deutsche, die gegen die Ukraine kämpfen. Wie die Sendung „RTL Nachtjournal Spezial: Wie Deutsche für Putin in den Krieg ziehen“ berichtet, sollen unter den 51 recherchierten Kämpfern aus dem westlichen Europa acht deutsche Söldner sein. Kämpfen für nicht-staatliche Milizen: In Russland eine Heldentat, in Deutschland eine Straftat.

Aktiv sollen die deutschen Kämpfer für verschiedene Milizen in der Ostukraine vor allem zwischen 2014 und 2017 gewesen sein. Mindestens zwei seien aber noch in Russland, einer auf der ukrainischen Halbinsel Krim.

Die Milizen waren damals von der Wagner-Gruppe gelenkt worden. Zu dieser Zeit agierte die Privatarmee noch im Verborgenen. Jetzt – nach Prigoschins jüngst angezetteltem Aufstand – behauptet Kreml-Chef Wladimir Putin, der Staat habe die Truppe „komplett finanziert“.

Wer sind diese Deutschen, die für Putin in den Krieg ziehen? Laut RTL haben fast alle russlanddeutsche Wurzeln. Einer davon ist Alexej B. aus der baden-württembergischen Gemeinde Umkirch, der in der Bundeswehr gedient haben soll.

Der „Tagesspiegel“ berichtet Anfang des Jahres von zwei gefangenen Wagner-Kämpfern. „Der eine kam aus Leipzig und hatte russische Wurzeln. Der andere hieß Volker und war Berliner“, erzählt ein Deutscher, der wiederum für die Ukraine kämpft, der Zeitung. Volker war demnach in Berlin lange arbeitslos und schloss sich vergangenen September der Wagner-Truppe an. Als Söldner habe er umgerechnet 5000 US-Dollar bekommen – Kranken- und Lebensversicherung inklusive. Kampferfahrungen? Keine. Hierbei bestehe die Gefahr „vor allem in der menschenverachtenden Kriegstaktik für solche unerfahrenen Wagner-Söldner“, sagt Roderich Kiesewetter, CDU-Außenpolitiker und Oberst a.D. unserer Zeitung. Doch wer sich den Wagner-Söldnern „freiwillig anschließt, weiß sehr genau, was ihn erwartet und dass es sich um eine Terrorgruppe handelt“.

Eine Gefahr für die innere Sicherheit und „potenzielle Zeitbomben“ seien besonders die deutschen Rückkehrer, so der Außenpolitiker. Denn: „Es kommen hier in der Regel Leute zurück, die massive Kriegsverbrechen selbst begangen haben, beteiligt waren oder aber miterlebt haben – Schwerkriminelle und Mörder“, sagt Kiesewetter. Er fordert: Die Wagner-Gruppe als Terrorgruppe zu listen.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, fordert Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen nach Völkerstrafgesetzbuch und Strafgesetzbuch gegen deutsche Söldner voranzutreiben. Von einer konsequenten Strafverfolgung müsse die Botschaft ausgehen: „Jeder, der sich solchen Gruppen anschließt, muss in unserem Land mit empfindlicher Strafe rechnen“, sagt Hardt unserer Zeitung.

Jetzt rekrutiert der Wagner-Chef nicht mehr. Im Exil in Belarus ist er laut Machthaber Alexander Lukaschenko gestern angekommen. Sicher ist er da nicht. Politikwissenschaftlers Herfried Münkler sagt dem „Spiegel“: „Ich gehe davon aus, dass die Russen Prigoschin über kurz oder lang liquidieren werden.“

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