Razzia bei Kardinal Woelki

von Redaktion

Plötzlich steht der Staatsanwalt vor der Tür – Verdacht des Meineids und der falschen Versicherung an Eides statt

Köln – Es ist eine neue Eskalationsstufe im Streit um den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Am Dienstagmorgen stehen Ermittler vor dem Tor seiner Residenz, um das Gebäude zu durchsuchen. Hintergrund sind laufende Ermittlungen wegen des Verdachts des Meineides und der falschen Versicherung an Eides statt. Es bleibe „keine andere Möglichkeit mehr, um weiter Klarheit zu schaffen“, sagt der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn.

Die Ermittler legen pünktlich um 8 Uhr los. Neben Räumen des Erzbischöflichen Hauses wird auch im Generalvikariat und im Offizialat in Köln durchsucht. Außerdem stehen Ermittler in Kassel und Lohfelden in Hessen vor den Geschäftsräumen des EDV-Dienstleisters, der den E-Mail-Verkehr des Erzbistums verwaltet. „Wir sind auf volle Kooperation gestoßen, das gilt auch für den Erzbischof“, sagt Willuhn. Auf Bildern ist zu sehen, wie Woelki den Ermittlern das Tor öffnet.

Das Ziel der Staatsanwälte: Sie wollen Dokumente sicherstellen, die im Zusammenhang mit Äußerungen Woelkis stehen, in denen er nicht die Wahrheit gesagt haben soll. Außerdem solle die innerbistümliche Kommunikation zu diesen Vorgängen erhoben werden, heißt es.

Mehrere Anzeigenerstatter machen Woelki Vorwürfe. Es geht um zwei Komplexe, in denen der Kardinal mehr über Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche gewusst haben soll, als er öffentlich sagte. Zum einen ist da der Fall Winfried Pilz. Dem 2019 verstorbenen Sternsinger-Chef werden Missbrauchsvorwürfe gemacht. Woelki hat in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst von Juni 2022 an mit dem Fall befasst worden zu sein. Außerdem geht es um die Beförderung eines Priesters zum Vize-Stadtdechanten in Düsseldorf. Der Pfarrer hatte Jahre zuvor mit einem 16-jährigen Prostituierten Sex gehabt, zudem gab es Missbrauchsvorwürfe gegen ihn. Woelki versicherte in einer beeideten Aussage, bei der Beförderung dessen Akte nicht gekannt zu haben. „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“, sagte er.

Diese Darstellung wird von einem Anzeigenerstatter aber angezweifelt, auch die Staatsanwaltschaft sieht einen Anfangsverdacht. Es geht um den Verdacht des Meineids. Darauf steht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis fünf Jahren. Woelki hat die Vorwürfe stets bestritten. Gestern äußerte er sich nicht.

Man habe umfänglich Schrift- und Aktenstücke sowie Daten gesichert, sagt Oberstaatsanwalt Willuhn. Bis es Ergebnisse gibt, kann es aber noch dauern: „Ich will nicht Jahre sagen, aber Monate wäre auch zu wenig.“

Das Erzbistum Köln bestätigte die Durchsuchung und bat die Öffentlichkeit, eine ergebnisoffene Untersuchung nicht zum Anlass zu nehmen, Vorverurteilungen auszusprechen. Auch die Staatsanwaltschaft Köln betonte die Unschuldsvermutung. Die Ermittler erklärten weiter, dass Woelki „in keiner Weise die aktive oder auch nur passive Vertuschung von oder gar Beteiligung an Missbrauchstaten zur Last gelegt wird“.

Der Kölner Oberhirte steht wegen seines Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen in der Kritik. Papst Franziskus hatte ihn aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch bei ihm einzureichen, was Woelki auch tat. Der Papst hat bisher aber nicht darüber entschieden. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der „Rheinischen Post“, es liege an Woelki, zu entscheiden, ob er die Reißleine ziehe. Allerdings zeige sein bisheriges Verhalten, dass er an seinem Stuhl klebe. „Das ist das eigentliche Drama.“ GREGOR BAUERNFEIND

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