Was tun angesichts der AfD-Erfolge?

von Redaktion

München – Es gibt in der Politik so etwas wie eine feindliche Umarmung und AfD-Chefin Alice Weidel übt sich seit Sonntag darin. Sie raunt von angeblichen informellen Gesprächen, die auf kommunaler Ebene zwischen CDU und AfD längst stattfänden – und geht noch weiter: „Ich würde nicht per se ausschließen, im Osten eine Minderheitsregierung der CDU zu unterstützen“, sagte sie dem „Stern“. Die Christdemokraten seien auch ein potenzieller Koalitionspartner. „Wir sind immer offen für Gespräche.“

Weidels Sätze sind vor allem als Sticheleien zu verstehen, befeuert vom Rückenwind aus Sonneberg. In dem kleinen thüringischen Landkreis an der Grenze zu Bayern haben die Rechtspopulisten am Sonntag erstmals eine kommunale Wahl gewonnen und stellen bald den Landrat. Seither träumen sie von Größerem – und schielen dabei auf die drei Ost-Landtagswahlen im nächsten Jahr. Wasserstand: Sie steht in Umfragen weiter gut da – hat aber keinerlei Machtoptionen.

Dennoch setzen die jüngsten Erfolge der Populisten alle Parteien unter Druck, besonders die Union. Sein vor einem Jahr erklärtes Ziel, die AfD zu halbieren, hat CDU-Chef Friedrich Merz inzwischen zwar aufgegeben, stutzen will er sie aber dennoch. Sein Mittel: verstärkte Attacken auf die Grünen. Sie seien auf absehbare Zeit die „Hauptgegner“ in der Bundesregierung, sagte er zuletzt. Gegner, nicht Feind. Denn der ist und bleibt aus Sicht der Union die AfD.

Ganz einig ist man sich bei den Christdemokraten bei diesem Kurs allerdings nicht. Daniel Günther (CDU), der in Schleswig-Holstein gemeinsam mit den Grünen regiert und sich mit der Gegner-Ansage darum schwertut, sagte am Dienstag, Hauptaufgabe der Union sei es, die von der Berliner Ampel enttäuschten Wähler zu gewinnen und sie nicht an die AfD zu verlieren. Man müsse daher alle drei Regierungsparteien angreifen.

Ein wenig ratlos klingt all das noch immer. Auch die Ampel-Parteien sind am zweiten Tag nach dem Sonneberg-Entscheid nicht viel schlauer. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner pocht auf Sacharbeit, um der AfD den Nährboden zu entziehen, und sieht die Ampel nach der Heizeinigung und dem „lange überfälligen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik“ dabei auf einem guten Weg. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnt indes vor einer Anbiederung an die AfD. Sie werde immer dann stark, „wenn in der Mitte der Gesellschaft rechte Themen hochgepeitscht und Begriffe und Positionen übernommen werden“. Man darf das als Botschaft an die CDU verstehen.

In Sonneberg ist zwar die Wahl gelaufen, wirklich Ruhe herrscht aber nicht. Das Landesverwaltungsamt soll nun den Wahlsieger und künftigen Landrat Robert Sesselmann auf seine Demokratie-Tauglichkeit überprüfen, wie Innenstaatssekretärin Katharina Schenk am Dienstag sagte. Es gebe eine Überprüfung von Amts wegen her. Hintergrund sind Regeln im Thüringer Kommunalwahlgesetz.

Darin heißt es, als Landrat dürfe nicht gewählt werden, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt“. Dies sei der Prüfmaßstab, sagte Schenk. In Sesselmanns Fall bestünden Zweifel, weil die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Es handele sich um eine Einzelfallüberprüfung, das Ergebnis sei völlig offen.

Sonneberg wartet, Berlin hofft – auf ruhigere Zeiten. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte gestern mit Verweis auf das Heizungsgesetz, das Fachkräftezuwanderungsgesetz und den steigenden Mindestlohn: „Wenn solche Sachen vor der Sommerpause noch erledigt werden, dann kommt hoffentlich über die Zeit, in der es politisch wieder etwas ruhiger ist, Stabilität und Ruhe rein.“ Mit „gutem Regieren“ könnten auch die jüngsten Erfolge der AfD gekontert werden.  mmä/dpa

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