„Bei der Qualität ist viel Luft nach oben“

von Redaktion

München – Seit Jahresanfang streitet Karl Lauterbach (SPD) mit den Ländern über seine Pläne für eine Krankenhausreform. Im Interview erklärt der Bundesgesundheitsminister, warum er sie für den einzig richtigen Weg hält.

Herr Lauterbach, sind Sie der Totengräber der kleinen Kliniken auf dem Land?

Nein, im Gegenteil. Die kleinen Kliniken auf dem Land hätten ohne unsere Krankenhausreform weit schwerere Zeiten vor sich als mit ihr. Die geplanten Vorhaltepauschalen erhalten Häuser am Leben, die mit ihrer momentanen Patientenbelegung nur bestehen können, weil Kommunen jedes Jahr große Summen zuschießen. Diese Kliniken sterben ohne Reform systematisch.

Aber auch mit der Reform werden einige Kliniken ganze Abteilungen verlieren. Manche sagen, was übrig bleibt, hat teils mit einem Krankenhaus nicht mehr viel zu tun.

Das ist falsch. In diesen Kliniken wird operiert, es gibt Fachärzte, angeboten wird stationäre wie ambulante Versorgung. Es wird Weiterbildungen für junge Ärzte geben. Also eigentlich alles, was man auf dem Land vor Ort benötigt – abgesehen von der Behandlung großer Notfälle und Eingriffe, für die diese Kliniken qualitativ nicht geeignet sind.

Was ist mit Geburtshilfen?

Wenn eine Kommune sagt: Wir möchten hier auch eine Geburtshilfe haben, dann kann sie dafür Geld in die Hand nehmen und investieren. Dem steht die Reform nicht entgegen. Und wenn die Qualität stimmt, wird die erbrachte Leistung natürlich bezahlt. Wir haben aber lange den Fehler gemacht, dass wir Krankenhäuser für Behandlungen bezahlt haben, obwohl wir wussten, dass die Qualität dort nicht so gut ist.

Das klingt ja fast so, als wären viele der heutigen Krankenhäuser regelrecht gefährlich. Ist die Qualität wirklich so miserabel?

Nein, das sagt auch niemand. Aber vor allem bei der Behandlung von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Krebspatienten haben wir viel Luft nach oben. Genauso ist es bei einigen orthopädischen Eingriffen. Wenn wir diese Leistungen in Kliniken zentralisieren, die das gut können, werden die Ergebnisse besser. Jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, weiß das. Den Ärzten und dem Pflegepersonal ist dabei kein Vorwurf zu machen, wenn ihnen oft sogar die ökonomischen Bedingungen für Spitzenmedizin fehlen. Auch die Länder wollen die Qualität verbessern. Deshalb soll es jetzt auch so kommen.

Auch wenn die Reform noch nicht greift, wollen Sie ab 2024 eine Übersicht über die Qualität deutscher Krankenhäuser veröffentlichen. Woran wollen Sie das bemessen?

Die Details möchte ich zunächst noch mit den Ländern besprechen. Sicher ist, dass wir genug Daten haben, um belastbare Aussagen treffen zu können. Am Ende wird eine gute Übersicht stehen. Es wird dabei aber nicht darum gehen, eine Klinik insgesamt zu bewerten, sondern immer nur eine bestimmte Leistung, die sie erbringt. Wenn ein Patient zum Beispiel eine Knie-Endoprothese braucht, kann er sich informieren, wer das gut macht.

Müssen Patienten in Zukunft länger warten, wenn Eingriffe in weniger Häusern durchgeführt werden?

Wir haben derzeit in Deutschland so gut wie keine Wartezeit bei Eingriffen. Wenn künftig die einfachen Behandlungen in kleineren Kliniken stattfinden, und die schwierigeren in spezialisierten Häusern, würde sich das nicht ändern. Zudem könnte womöglich die Nachbehandlung ortsnah in den kleineren Kliniken stattfinden, was zusätzliche Entlastung bringt.

Nicht alle sind so überzeugt von den positiven Auswirkungen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft deutete auf Twitter sogar einen Zusammenhang zwischen Ihren Plänen und der Wahl eines AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg an.

Das ist ein Tiefpunkt in der Lobbyarbeit, den ich nicht kommentieren möchte.

Richtig ist aber, dass gerade die ostdeutschen Länder eine Gefahr für die Versorgung fürchten.

Auch um dem zu begegnen, wollen wir neben NRW, Baden-Württemberg und Hamburg zusätzlich noch ein ostdeutsches Bundesland eng an der Ausarbeitung eines konkreten Gesetzesentwurfs beteiligen. Diesen Vorschlag möchte ich den Ländern am Donnerstag machen.

Trotz etlicher Verhandlungsrunden kommt noch immer jede Menge Kritik aus den Ländern. Nicht nur Bayern fürchtet, dass der Bund seine Kompetenzen überschreitet, wenn er zu weit in die Krankenhausplanung eingreift. Könnte Ihre Reform am Ende vor dem Verfassungsgericht scheitern?

Nein. Es ist zwar angemessen, eine so große Reform auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Ich sehe aber überhaupt kein Risiko. Ich kann versichern, dass wir die Verfassung genauso gut kennen wie die Kollegen aus Bayern.

Ein wichtiger Schritt könnten auch die gemeinsamen Eckpunkte sein, die Sie am Donnerstag mit den Ländern beschließen wollen. Werden Sie sich einigen?

Sicher ist das nicht. Wir machen jedenfalls keine faulen Kompromisse zulasten der Qualität. Aber die Reform wird am Ende kommen, weil sie gebraucht wird. Das wissen auch die Länder.

Interview: Sebastian Horsch

Artikel 9 von 11