Schweden bangt um Nato-Beitritt

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

München – Wie er da so steht, hinter einem Absperrband, geschützt von Polizisten, wirkt er fast ein bisschen einsam. Salwan Momika hat ein Megafon in der einen Hand, einen Koran in der anderen. Es ist der erste Tag des islamischen Opferfestes Eid al-Adha und Momika steht vor einer Stockholmer Moschee.

Erst wenige Stunden zuvor hat die Polizei einen Protest erlaubt, bei dem angekündigt worden ist, einen Koran zu verbrennen. Der Iraker Momika, nach eigenen Angaben Islamkritiker, tut genau das. Erst reist er Seiten aus dem Buch heraus, dann zündet er es an. Es ist eine Demonstration mit gerade mal zwei angemeldeten Teilnehmern und doch könnten die diplomatischen Wellen, die diese Aktion schlägt, groß sein.

Die Situation für Schweden ist gerade äußerst brenzlig. Denn das skandinavische Land strebt einen Beitritt in das Militärbündnis Nato an. Die Türkei legt aber bislang ein Veto ein. Die Begründung: Schweden sei ein Zufluchtsort für „Terroristen“. Gemeint sind damit vor allem Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Trotz einer kürzlichen Verschärfung seiner Terrorgesetze unterstellt Erdogan dem Nato-Anwärter nicht genug gegen „Terrororganisationen“ vorzugehen.

Islamfeindliche Aktionen – wie die von Momika – sorgen vor allem beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Unmut. Schon eine Protest-Aktion von rechtsextremen Demonstranten im Januar hatte zu einer Eiszeit zwischen der Türkei und Schweden geführt. Damals wurde vor der türkischen Botschaft in Stockholm ein Koran verbrannt und eine Erdogan-Puppe aufgehängt. Daraufhin festigte sich die türkische Blockade-Haltung bezüglich eines schwedischen Nato-Beitritts.

Auch bei einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestern schien sich Erdogans Widerstand nicht wirklich aufzulösen. Das Land gehe zwar Schritte in die richtige Richtung, es gebe aber weiterhin „inakzeptable“ Umstände wie die Genehmigung von Demonstrationen, auf denen „Terrorpropaganda“ verbreitet werde, erklärt Erdogan nach dem Gespräch. Noch deutlichere Worte findet der türkische Außenminister Hakan Fidan. Er spricht von einer „verachtenswerten Handlung“. Es sei „inakzeptabel“, derartige gegen den Islam gerichteten Aktionen „unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit zuzulassen“.

Zugelassen war diese Aktion überhaupt nur, weil ein schwedisches Berufungsgericht kürzlich bereits ausgesprochene Polizei-Verbote vom Februar einkassierte. Die mit der geplanten Koran-Verbrennung verbundenen Sicherheitsrisiken würden ein Demonstrationsverbot nicht rechtfertigen, lautet das Urteil.

Über die Auswirkung des Protests will Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson aber nicht spekulieren. Zum Protest selbst sagt er lediglich, er sei erlaubt, aber nicht angemessen. Dutzende Menschen hinter den Absperrungen sind der selben Meinung. Sie reagieren mit wütenden Worten auf die Verbrennungs-Aktion. Ein Mann wirft einen Stein und wird abgeführt. Die Stockholmer Polizei erstattet – trotz Gerichtsurteil – im Anschluss Anzeige wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen ein Anzündeverbot.

Ob das die Wogen glätten kann, ist unklar. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bleibt trotzdem zuversichtlich. Bei einem Gespräch am 6. Juli in Brüssel sollen Vertreter beider Länder zusammenkommen, um die Verhandlungen voranzubringen. Beim Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli im litauischen Vilnius hofft Stoltenberg auf weitere Fortschritte für Schwedens Nato-Aufnahme.

Doch auch Ungarn gilt es zu noch überzeugen. Ministerpräsident Viktor Orbán scheint sich bei der Nato-Norderweiterung nämlich mit Erdogan abzustimmen. Vor Herbst ist eine ungarische Ratifizierung des Nato-Beitritts Schwedens nicht geplant.  (mit dpa, afp)

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