München – Man hatte es sich so schön ausgedacht: In München treffen sich heute CDU und CSU zur gemeinsamen Präsidiumssitzung. Vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wolle man ein „Signal der Entschlossenheit und Geschlossenheit“ senden, hieß es bei der Verkündung des Termins. Doch gestern Abend, da die ersten CDU-Vertreter aus dem Norden eintrudelten und sich zu einem kleinen Grillfest in Söders Parteizentrale versammelten, schien es mit der Geschlossenheit nicht weit her. Und diesmal kann niemand in der CDU Vorwürfe gegen Markus Söder erheben. Es sind Hendrik Wüst und Daniel Günther, die seit Tagen gegen CDU-Chef Friedrich Merz sticheln.
Der jüngste Aufschlag kam unmittelbar vor dem Treffen vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten. Den Funke-Zeitungen hat Daniel Günther, der in Kiel mit den Grünen regiert, ein Interview gegeben, das man als Frontalangriff auf den Parteichef lesen kann – inhaltlich wie personell. In der ungewöhnlich früh aufflammenden K-Frage positioniert er sich klar: „Hendrik Wüst ist erfolgreicher Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und einer der wichtigsten Köpfe, die wir in der Union haben“, sagt Günther und lobt den „sehr klugen Zeitungsbeitrag über den Kurs der Union“, mit dem Wüst neulich im Merz-Lager für Verärgerung gesorgt hatte. Er selbst wolle weiter in Kiel regieren, beteuert Günther. Und schiebt nach: „Das ist nicht nur aktuell so.“ Wüst hatte erklärt, sein Platz sei „aktuell“ in NRW.
Es scheint, als arbeite in der CDU das alte Angela-Merkel-Lager auch eineinhalb Jahre nach ihrem politischen Ruhestand noch fleißig gegen Merz. Dieser hatte unlängst noch einmal die Grünen zum „Hauptgegner“ erklärt. Günther will davon nichts wissen. „Es hilft uns nicht, wenn wir Fehler beim Heizungsgesetz dazu nutzen, die Grünen oder ein ganzes Ministerium zu diskreditieren. Wir sollten in der Sprache sauber sein und erklären, was wir anders machen würden.“
Günther rügt auch, die Union opponiere an den falschen Stellen: „Fachkräftezuwanderung und Staatsbürgerschaftsrecht sind nicht die richtigen Themen, um sich von der Ampel abzugrenzen“, findet er. Schließlich seien die Engpässe bei Arbeitskräften offensichtlich. „Und ich finde es richtig, dass am Ende einer gelungenen Integration durchaus auch schneller als bisher die Einbürgerung stehen kann. Bei diesen Themen sollte die Union eher offensiv-positiv dabei sein.“
Hinter diesen inhaltlichen Punkten steht eine grundsätzliche Frage: Wüst und Günther regieren jeweils mit den Grünen. Merz dagegen dürfte heute kein Interview mehr wie 2020 geben. Vor fast auf den Tag genau drei Jahren posierte er für den „Spiegel“ in grünem Anzug und grüner Krawatte. Heute hat er sich – wie Söder – von solchen Symbolen entfernt.
Heute wollen CDU und CSU ein Zehn-Punkte-Programm verabschieden. mit dem sie sich als Alternative zur Ampel präsentieren. In dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, fordern sie eine „Entlastungsoffensive“ für die Mittelschicht, ein Belastungsmoratorium für Unternehmen und wenden sich gegen „unkontrollierte Migration“ sowie ein Verständnis von Klimaschutz, das das gesellschaftliche Klima vergifte.
Zur aktuellen Debatte will sich öffentlich niemand äußern. Man erinnert an den Schaden, den der Streit um Söder und Armin Laschet vor der Bundestagswahl hinterließ. Es gebe keine Eile. Denn wirklich entschieden wird die K-Frage wohl erst nach der Europawahl im Juni 2024. Dann sind – nach der Landtagswahl in Bayern – vielleicht auch die Ambitionen Söders wieder ein Thema.