Unruhen in Frankreich

Aufgewühlte Gesellschaft

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Es wirkt, als komme Frankreich gar nicht mehr aus dem Krisenmodus heraus. Die heftigen Rentenproteste liegen erst ein paar Wochen zurück, da versinken ganze Städte erneut im Chaos. Was sich nach dem gewaltsamen Tod eines Vorstadt-Jugendlichen entlädt, ist der geballte, lang angestaute Frust all jener, die sich ungesehen, als Bürger zweiter Klasse fühlen. Die Exzesse – brennende Autos, geplünderte Läden, Auseinandersetzungen mit der Polizei – sind nicht entschuldbar, erklärbar sind sie schon.

Natürlich verschlägt der Fall Nahel – ein junger Mann, wehrlos von einem Polizisten erschossen – jedem mitfühlenden Menschen die Sprache; in ihm glimmen jene Debatten um Rassismus, Polizeigewalt und Diskriminierung auf, die westliche Gesellschaften zu lange nicht führten. Ebenso erschütternd ist eine Beobachtung, die sich aufdrängt: Frankreich neigt inzwischen dazu, seine Konflikte nicht im kontrollierten Protest, sondern mit blinder Wut und Gewalt auszutragen. Es sind ja nicht nur die Jugendlichen in den Banlieus. Auch die Gelbwesten- und Rentenproteste verliefen alles andere als friedlich.

Für Präsident Macron, der eine Krise nach der anderen bewältigen muss, ist es schwer, einen Weg zwischen nötiger Härte und unnötiger Provokation zu finden; noch versucht er es mit Fingerspitzengefühl, gut so. Auch wenn sich die Situation (hoffentlich bald) beruhigen lässt, stellt sich die ernüchternde Frage, wann die aufgewühlte französische Gesellschaft an den nächsten Eskalationspunkt gelangt.

Marcus.Maeckler@ovb.net

Artikel 11 von 11