Berlin – Zumindest eine Kuh scheint Bundeskanzler Olaf Scholz schon mal vom Eis zu haben: Die Grünen wollen wegen des Streits in der Ampel-Koalition um die Kindergrundsicherung heute nicht den Haushaltsentwurf blockieren. „Jetzt habe ich den klaren Auftrag und die klare Aussage, dass die gesamte Regierung hinter der Kindergrundsicherung steht, und auch dahinter, dass es Leistungsverbesserungen geben wird mit der Kindergrundsicherung“, sagte gestern Familienministerin Lisa Paus (Grüne). „Und deswegen: Ja, wir werden morgen dem Haushalt zustimmen.“
Überzeugt hat Paus wohl vor allem ein Brief von Scholz, in dem der Bundeskanzler deutlich klargemacht hat, dass in der Koalition Einvernehmen darüber bestehe, die umstrittene Kindergrundsicherung nach Ende der parlamentarischen Sommerpause im Kabinett zu beschließen. Monatelang gab es Streit über das Projekt. Nun hat Scholz Paus gebeten, „zügig“ einen Gesetzentwurf dafür fertigzustellen. Auch von „Leistungsverbesserungen“ ist in dem Brief in der Tat die Rede. Doch darüber, was das am Ende genau bedeutet, dürfte es noch ausgiebige Diskussionen geben.
Es geht ums Geld. Rund zwölf Milliarden Euro hatte Familienministerin Paus einmal für das Vorhaben veranschlagt. Doch in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes sind für die Kindergrundsicherung nun zunächst nur zwei Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Ein „Merkposten“ sei das, mehr nicht, beschwichtigt Paus. Die endgültige Summe werde in ihrem Gesetzentwurf stehen, der im kommenden Monat vorgelegt werde. Doch Verbände befürchten, dass es bei den zwei Milliarden bleiben könnte. Dass man damit Kinderarmut beseitigen könne, sei „ausgeschlossen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, der „Stuttgarter Zeitung“. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte in Berlin, nötig sei „eine Kindergrundsicherung, die so hoch ist, dass alle Kinder wirklich finanziell abgesichert werden“. Die zwei Milliarden Euro seien „deutlich zu wenig und weit davon entfernt, dass Kinder in ihrer Lebensrealität eine deutliche Verbesserung spüren würden“.
Der Grund für den Argwohn der Verbände: Die FDP lehnt Mehrausgaben bei der Kindergrundsicherung bisher strikt ab. Aus Kreisen des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums hieß es am Dienstag, die finanzielle Ausgestaltung der Kindergrundsicherung sei weiter offen. „Strukturelle Mehrausgaben können nur beschlossen werden, wenn es Gegenfinanzierungen gibt.“
Dabei ist die Kindergrundsicherung nicht der einzige Konfliktpunkt zwischen Lindner und Paus. Auch das Vorhaben, die Einkommensgrenze beim Elterngeld auf 150 000 Euro zu senken, um so die Belastung für den Bundeshaushalt zu reduzieren, sorgt für Reibereien. Denn einem „Spiegel“-Bericht zufolge bedauert das Paus-Ministerium diese Einschnitte und warnt vor „negativen Auswirkungen auf die gleichstellungspolitischen Ziele der Bundesregierung“. Lindner reagierte gestern mit einem Tweet. „Wenn die zuständige Kollegin selbst von der Änderung beim Elterngeld nicht überzeugt ist, dann kann und sollte sie ihren Konsolidierungsbeitrag in anderer Weise erbringen“, schrieb der Bundesfinanzminister.
Unterstützung für die Grünen kommt derweil aus der Opposition. Linken-Parteichefin Janine Wissler forderte Kanzler Scholz auf, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und Lindners Haushaltspläne zu stoppen. hor