Berlin – Als die Eilmeldung kommt, ist die Stimmung gerade besonders gelöst. Die SPD hat zu ihrem traditionellen Hoffest geladen, über 2000 Gäste sind gekommen. Olaf Scholz nippt am Weißwein und plaudert entspannt, doch die Ernüchterung kommt jäh. Um 21.48 Uhr macht die Nachricht aus Karlsruhe die Runde, dass das Bundesverfassungsgericht soeben das Heizungsgesetz ausgebremst hat.
Für die Ampel-Koalition ist das eine kapitale Klatsche. Monatelang gab es ein Gezerre um das Gesetz, die Stimmung unter SPD, Grünen und FDP war zunehmend gereizt. Zwar gab es nach harten Verhandlungen eine Einigung auf umfangreiche Änderungen. Durch den vorläufigen Stopp geht das Verfahren nun aber in die Verlängerung. Statt das Thema wie geplant heute abzuräumen, soll der Bundestag nun im September entscheiden.
Zwar betonten die Koalitionäre gestern, inhaltlich solle es keine Änderungen mehr geben. Doch zwei Monate sind eine lange Zeit – noch dazu sind im Herbst Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Wie lange hält die Einigung in der Ampel? Nicht selten gab es zuletzt bei wichtigen Vorhaben Streit – Beispiel Kindergrundsicherung.
Beim Erscheinungsbild stehe die Ampel nicht gut da, räumte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zuletzt ein. Die „Kür“ nannte er das. Aber was habe man nicht alles geschafft, etwa bei Energielieferungen. Der Karlsruher Spruch allerdings zeigt: Bei der Kür hat die Koalition dermaßen gepatzt, dass die Pflicht gleich mit auf der Strecke bleibt, zumindest vorerst. Mieter und Hausbesitzer müssen nun länger auf Gewissheit warten.
Wie uneins die Koalition ist, zeigte sich auch am Mittwoch, als der Bescheid aus Karlsruhe gleich in eine Reihe von Berliner Sommerfesten platzte. Es reichte nicht einmal für eine gemeinsame Versicherung, dass man den Entschluss nun prüfen und über die Konsequenzen entscheiden wolle. Stattdessen meldeten sich FDP-Vertreter schnell mit Schuldzuweisungen an die Grünen.
Von denen war lange nichts zu hören. SPD-Fraktionsvize Mathias Miersch ließ wissen, um den Inhalt des Gesetzes gehe es nicht. Auch nachdem sich die drei Fraktionen gestern nach offenbar länglichen Gesprächen darauf geeinigt hatten, das Gesetz nach der Sommerpause auf die Tagesordnung zu setzen, traten sie einzeln vor die Medien.
Die ideologischen Gräben besonders zwischen Grünen und FDP sind so tief, dass die Etappen bis zum Bundestagsbeschluss beim Gebäudeenergiegesetz nur noch mit gewagtester Verfahrensakrobatik zu bewältigen waren. Die Selbstbeschäftigung der Koalition, mit mehreren internen Nachverhandlungen, ging zu Lasten der Opposition. Die unterliegt mit ihren Vorschlägen bei Abstimmungen am Ende zwar meist der Regierungsmehrheit, kann normalerweise aber zumindest mitverhandeln und über ihre Fachpolitiker eigene Ideen einbringen. Das war beim Heizungsgesetz nur noch eingeschränkt möglich.
„Die streiten sich so lange, weil sie von so unterschiedlichen Positionen herkommen“, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, der den einstweiligen Stopp in Karlsruhe erstritten hatte. „Und wenn sie in solchen Verhandlungen sind, dann können sie sich eigentlich nicht vorzeitig einigen, weil ihnen dann ihre eigene Fraktion immer sagt ,Du hast ja gar nicht gekämpft’.“ Man kann die gleiche Dynamik hinter Nachtverhandlungen und einem sich über mehrere Tage hinziehenden Koalitionsausschuss vermuten.
Nun gibt die Ampel sich und der Opposition notgedrungen mehr Zeit für das Heizungsgesetz. Mehr Einfluss will sie der Opposition aber nicht einräumen, wenn es nach der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge geht. „Dieses Gesetz haben wir so intensiv beraten, dass wir auch sehr sicher sind, dass wir dieses Gesetz so beschließen wollen.“ Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte klar, die FDP stehe fest zum Gesetz. In diesem Punkt sind sie sich ausnahmsweise mal einig.