Der Kampf um Europas Moore

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

Brüssel/München – Moore renaturieren, Wälder aufforsten und Städte begrünen: Für Umweltschützer ist das Renaturierungsgesetz der EU-Kommission eines der zentralen politischen Projekte, damit sich die Menschheit besser gegen den Klimawandel wappnen kann. Doch gegen das Gesetz von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das gestern vom EU-Parlament mit der knappen Mehrheit von 324 Ja- zu 312 Nein-Stimmen verabschiedet wurde, gibt es heftigen Widerstand – vor allem von den Bauern und den konservativen Parteien der EVP des CSU-Politikers Manfred Weber. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was will das Gesetz?

Der Gesetzentwurf sieht vor, bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete in der EU eine Renaturierung zu veranlassen. Geplant sind etwa eine Wiederbewässerung von Fluss-Auen und Mooren, um die Folgen von Dürren zu mindern, und eine Reduzierung des Pestizideinsatzes zur Förderung der Artenvielfalt. Hindernisse für Fische in Flüssen sollen beseitigt und ursprüngliche Mischwälder wieder aufgeforstet werden. Die Vorgaben sollen nicht nur Naturschutzgebiete betreffen, sondern auch bewirtschaftete Flächen wie Wälder, Felder und auch städtische Gebiete.

Warum ist das Gesetz notwendig?

Nach Angaben der EU-Kommission sind über 80 Prozent der geschützten Lebensräume in der EU in einem schlechten Zustand – Tendenz steigend. Dafür verantwortlich ist demnach neben dem Klimawandel vor allem die konventionelle Landwirtschaft mit übermäßigem Einsatz von Düngemitteln und Chemikalien. Besonderen Fokus legt die Kommission auch auf Feuchtgebiete wie Moore, weil sie CO2 speichern und Wasser filtern. Alleine in den vergangenen zehn Jahren sind demnach 71 Prozent der Fisch- und 60 Prozent der Amphibienpopulationen zurückgegangen.

Was fürchten Kritiker?

Bis 2030 sollen laut Gesetz auch mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche „mit Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt“ gestaltet werden. Dadurch sieht die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider „unsere Ernährungssicherheit gefährdet“. Laut einem Positionspapier des Deutschen Bauernverbands drohe der Verlust von mehr als einer Million Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Insgesamt gibt es laut DBV in Deutschland rund 16,5 Millionen Hektar Agrarfläche. Allerdings müssen laut Gesetz die Flächen nicht ganz stillgelegt werden: „Produktive Bäume“ wie Obstbäume oder der Anbau etwa von Brombeer-Hecken wären gestattet, sofern sie nicht gedüngt oder mit Pestiziden behandelt werden.

Was sagen Experten?

Mehr als tausend Wissenschaftler betonen in einem offenen Brief, die Wiederherstellung der Natur sei für die Aufrechterhaltung einer langfristigen Produktion und Verbesserung der Ernährungssicherheit von wesentlicher Bedeutung. „Die größten Gefahren für die Ernährungssicherheit, sie alle gehen auf den Klimawandel zurück“, so Helge Bruelheide, Professorin für Geobotanik an der Universität Halle. Dürren und Extremwetter, die im Zuge des Klimawandels öfter auftreten können und die durch das Gesetz abgemildert werden sollen, können Ernten in großen Teilen vernichten.

Wie geht es weiter?

Nun beginnen die Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, den Umweltministern der Mitgliedsstaaten sowie der Kommission über den endgültigen Wortlaut des Gesetzes. Auch im EU-Parlament gibt es noch 136 Änderungsanträge.

Artikel 3 von 11